Nick Cave - Nocturama
Endlich wieder ein Lebenszeichen von unserem alten Meister, den Oberfürsten der Finsternis – und was für eins!
Nachdem mir das 2001er „No more shall we part“ nicht so toll gefiel - (und das hat sich auch bis heute nicht geändert) - so ist „Nocturama“ wieder vom alten Schlag: Die zehn Songs sind um einiges abwechselungsreicher, vielschichtiger, melodiös und gar nicht so dunkel, wie man es vielleicht erwartet, erzählen von der Schönheit des Lebens... (etwa in "Wonderful Life"). Kann es denn wahr sein? Nick Cave - auf dem Weg in die Wunderkerzenwelt? Überhaupt nicht!
Da ist alles drin, was das musikalische Herz begehrt!
So ist der Meister auf dem Abschluss-Song „Babe, I’m On Fire“ an wilder Energie und Intensität nicht zu überbieten, man merkt ihm seine Vergangenheit bei der Band „Birthday Party“ deutlich an, jener Band, mit der einst alles begann. Dieses Meisterstück rechtfertigt jede einzelne Sekunde der insgesamt 14:47 Minuten und man mag es gar nicht wahrhaben, dass „Babe, I’m On Fire“ dann schon zu Ende ist. Der Gesang schraubt sich kontinuierlich nach oben, wird immer unkontrollierter, dazu zuckt und quietscht wie wild die Hammond. Diese beiden Stücke geben Aufschluss über die gesamte Bandbreite des Mr. Cave und seinen Bad Seeds: Das hier vorliegende Album klingt wie ein „Best Of“. Wie eine Rückschau auf beinahe alles, was Nick Cave bisher veröffentlicht hat, ausnahmsweise ohne allzu viel dessen, was er bisher noch nicht gemacht hat – außer eines Best Of eben. Nocturama huldigt der Nuance, dem feinen Detail und dem kleinen Wink mehr als der großen Geste. Bei mehrmaligem Hören hintereinander wird dieses Album zum Zündsatz und kickt uns vom Sofa süßer Träume.
Die Songs
Zurück zum Opener „Wonderful Life“. Das Leben, sei einfach wundervoll singt Mr. Cave, wenn man es denn findet. Hat er es gefunden oder glaubt er es gefunden zu haben, ist er gar vom Melancholiker, Selbstzweifler, Narziss und Romantiker zum Zyniker geworden, der mit Boshaftigkeiten um sich wirft? „Wonderful Life“ vermittelt einem die pure Lust auf Leben oder gibt sie einem zurück. Durch den zweiten Song „He Wants You“ klimpert saftig ein Mollpiano, bei „Right Out Of Your Hands“ handelt es sich um einen elvishaften Schmachtfetzen, bei dem Caves Stimme allein nicht mehr ausreicht. Sehr vielschichtig und verwirrend, das Ganze. „Bring It On“ hätte damals optimal zum Live Aid gepasst, wenn denn damals jemand Nick Cave gekannt und eingeladen hätte. „Dead Man In My Bed“ kracht derart ungestüm und haltlos daher wie ein Song aus seeligen „Birthday-Party-Tagen“ um der geneigten Hörerin mit dem darauffolgendem „Still In Love“ die bekannt wohltuenden Caveschen Schauer über den Rücken zu jagen. Auch „There Is A Town“, ”Rock Of Gibraltar” und “She Passed My Window” sind von gewohnter Qualität und lassen keine Wünsche offen.
Fazit
Ein tolles Album! Und dass Nick Cave mit Nocturama kaum Konzerte geben wird, ist eine Schande. Ansonsten alles wie immer: Cave ist Gott... ;-).
Vielen Dank dem größten Nick Cave Fan von Köln: A.W., ohne den ich die Rezension nie geschafft hätte. Ich liebe vor allem die dunkle Stimme Nick Caves und die Melancholie der Songs und traute mich bisher nicht an eine Interpretation der vielschichtigen Songs (oftmals mit biblischen Hintergrund) heran. Also traut euch mir eure Meinung zu sagen *gg*
Autorin / Autor:
eleven - Stand: 20. Mai 2003