Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Julia Antonin, 13 Jahre
Heute war wieder ein sehr regnerischer Tag, und ich hatte wie immer keine Lust zur Schule zu gehen. Nachdem ich aufgestanden war, wollte ich mir etwas zu Essen machen, doch im Kühlschrank war wie immer nur Gemüse. Wie ich Gemüse hasse! Schließlich gab ich dem Drang, etwas zu essen, nach und machte mir einen Smoothie, der dann doch sehr lecker war. Danach putzte ich die Zähne und machte mich auf dem Weg zum Bahnhof. Als die Bahn schon eine Weile fuhr, schaute ich mich genauer um. Ein anderes Mädchen saß neben mir. Plötzlich kam der Zug mit einem Ruck zum Stehen. Ich wusste nicht, was los war, und auch die anderen im Zug schauten erschreckt. Kurz darauf ertönte eine Durchsage. Wegen des starken Regens und des Windes sei ein Baum auf die Schienen gefallen. Alle stöhnten genervt, da wir alle wussten, dass wir hier wahrscheinlich noch Stunden festhängen würden. Doch das Mädchen neben mir blieb ganz ruhig, schaute mich gelassen an und lächelte sogar. Ich fragte sie, ob sie nicht verstanden habe, was der Zugführer gesagt hatte, doch sie antwortete: „Natürlich habe ich alles verstanden. Wenn du willst, kann ich es einmal für dich wiederholen, falls du es nicht gehört hast.“
Ich starrte sie einen Moment lang an und fragte mich, ob sie es ernst meinte, doch ihre Miene sprach eindeutig dafür. Sie sagte: „Ich bin übrigens Lena, und du?“ Ich antwortete überrascht von ihrem scheinbaren Vertrauen in mich: „Ich heiße Laura.“ Sie antwortete, was für einen schönen Namen ich doch hätte. Doch da mich eine Frage nicht losließ, musste ich sie einfach stellen: „Wie schaffst du es bloß, so fröhlich zu sein, angesichts unserer Situation?“
Sie lachte nur und antwortete: „Unsere Situation ist doch wunderbar!“ Das überraschte mich sehr. Ich fragte sie, was sie meine und sie erwiderte: „Wir sitzen in einem Zug, der fast einen Unfall hatte und keiner von uns ist zu Schaden gekommen! Wir haben jeden Tag genug Essen und Trinken, wir besitzen das Privileg, in die Schule gehen zu können, uns zu bilden und sind so frei, wie nur wenige Menschen es auf dieser Erde sind. Das ist es mir wert! Das ist es mir wert, glücklich zu sein!“
Ich war sehr erstaunt und überwältigt von ihrer Antwort und dachte über meinen Tag nach. Über meinen leckeren Smoothie und den Schultag, der noch folgen würde, über mein Hobby, dem ich nach der Schule nachgehen würde und über meine Eltern, die mich jeden Tag unterstützen und mich lieben. Alles sind sehr wichtige Dinge, die ich viel zu wenig wertgeschätzt hatte. Alles sind Dinge, die für mich mit der Zeit normal geworden sind, weil ich sie für selbstverständlich gehalten habe. Und bei dem Gedanken aller schönen Momente, die ich schon erlebt hatte, wurde ich genauso glücklich wie Lena. Ich nahm mir vor, dies nie zu vergessen und so kam es, dass ich mich an diesem regnerischen, grauen Tag total veränderte. Denn ich wollte auf andere Menschen genauso wirken wie Lena, als ich sie kennengelernt hatte, um sie dazu zu inspirieren, ihr Leben richtig wertzuschätzen.
Ich unterhielt mich noch ein paar Stunden mit Lena, und doch war uns die Zeit nicht genug, also gab ich ihr meine Handynummer und wir telefonierten am Abend weiter. Ab da wurde mein Leben viel besser, denn ich lebte jeden Moment mit Freude und Respekt für das, was ich hatte.
Es wurde nicht alles perfekt, aber das macht unser Leben ja erst aus. Und wessen Leben ist schon perfekt? So wurden meine Probleme zu Erfahrungen und meine Augen öffneten sich für eine ganz neue Welt, eine bessere Welt.
Selbst heute, ein paar Jahre nach unserem Zusammentreffen, helfe ich mit Lena zusammen ehrenamtlich in Kindergärten oder Schulen. Wir erzählen den Kindern Geschichten über Respekt, malen mit ihnen Bilder über Freundschaft und führen neue Theaterstücke zum Thema Dankbarkeit auf. Jedes Mal freuen sich die Kinder, wenn wir ihnen unsere Geschichte erzählen, und einige sprechen sogar mit: „Das ist es mir wert!“