Wir und das Boot
Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von M., 16 Jahre
„Guten Abend meine Lieben, ich bin das eine Prozent. Das verhasste eine Prozent, weil es den anderen 99 Prozent wegnimmt. Weil es die anderen nicht sieht, nicht wahrnehmen will, weil es eben die anderen sind.
Und ich bin mal wieder aus sehr egoistischen Gründen hier, ich will nämlich was loswerden:
Ich war letztens bei den Politikern. Also nicht bei irgendwelchen, sondern bei den richtigen. Bei den großen Tieren. Da kann ich so hin, weil ich auf eine Eliteschule gehe, das ist natürlich sehr unfair. Aber blöd wie ich bin, habe ich mich natürlich trotzdem hoch ordentlich angezogen und bin hin. Die haben mal wieder eine Menge nichts geredet, das können die tatsächlich ziemlich gut, aber die haben auch etwas anderes von sich gezeigt. Etwas, was sie vielleicht gar nicht zeigen wollten: Die waren unsicher, und zwar gar nicht mal so wenig. Denn weil die auch von Eliteschulen kommen, sind die gar nicht so dumm und wissen, dass wir eigentlich alle in dem gleichen Boot sitzen.
Das fühlt sich im Prinzip nicht so schön an, denn in dem Boot sind auch ganz dreckige Menschen, da sind blöde Menschen, grüne Menschen, rote Menschen, gestreifte Menschen, gleiche Menschen, nicht ganz so gleiche Menschen und alle anderen auch. Und die besseren Menschen müssen das halt schaffen, mit denen allen auszukommen.
Alle auf einmal – das ist gar nicht so einfach! Und darum streiten die auch ganz viel und so und machen Kriege und sind beleidigt. Das heißt, das ganze Bootsdeck ist voll von so einem schnatternden Prügelpulk. Und ab und zu kommt ihr mal, irgendeiner von euch Schnuffis, und findet, dass es ein Ruder an dem Schiff gibt! Und dann versucht ihr, das Ruder rumzureißen, mit ganz viel Kraft. Aber das klappt nicht, denn der Prügelhaufen sieht euch nicht, weil er ist ja ganz gut mit Prügeln beschäftigt. Und ihr schafft es nicht, die Blödis zu überzeugen. Und genau das müsst ihr armen Leute den ganzen Tag erleben. Und die ganze Nacht – richtig mies.
Aber das Gleiche denken ja die Politiker auch! Die sind richtig dolle genervt von dem Prügelhaufen und zerren auch an einem Steuer. Sogar in die gleiche Richtung wie ihr! Nur eben woanders, weil sie nicht in eurer Nähe sein wollen. Weil die nämlich denken, dass ihr sie nicht mögt, und deswegen mögen sie euch nicht. Total verwirrend, ne? Ist aber so.
Ich dachte mir also, dass man da vielleicht was machen könnte. Also wenn man das wollte. Und man könnte, ähm, zum Beispiel so erst mal nicht mehr so böse zu denen sein. Also ist natürlich mies, weil die ja auch böse sind. Aber der Klügere gibt nach und so…
Und eventuell hm, werden die dann vielleicht auch ein klitzekleines bisschen netter und kommen zu euch rüber? Oder ihr bringt mal Kekse mit oder so?
Aber das ist nur so ein Vorschlag, also das müsst ihr nicht machen, ihr habt ja auch mit dem Wichtigen zu tun, für das Richtige zu kämpfen. Und die Welt retten ist schon gut so, da wollte ich euch auch nicht ablenken, ne. Also vielleicht denkt ihr mal drüber nach. Bis denne!“