Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Ronja, 13 Jahre
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, Monate lang habe ich auf diesen Moment hingearbeitet. Ich muss es schaffen, ich will mich beweisen! Sollte die ganze Arbeit etwa umsonst gewesen sein? Tausende Gedanken und Gefühle schossen mir durch den Kopf. Ich saß auf dem Beifahrersitz des kleinen, mausgrauen VW-Golf meiner Mutter, der mich zu dem Robot-Technik Wettbewerb bringen sollte. Meine Mutter lächelte mir von der Fahrerseite aus entgegen. Meine Aufregung und Angst mussten sich in meinem Gesicht gespiegelt haben. „Du schaffst es Malina.“, sagte meine Mutter und nahm meine Hand, die sich auf dem Oberschenkel verkrampft hatte.
Kurze Zeit später lenkte sie den Wagen auf einen großen Parkplatz, auf dem schon viele protzige, aber auch ältere Modelle von Autos standen. Von plötzlicher Erregung und Vorfreude erfasst, sprang ich aus dem Auto und atmete eine frische Priese kühle Luft ein. Meine Mutter öffnete den Kofferraum und nahm einen kleinen Legoroboter heraus, meinen Roboter. Der, mit dem ich in wenigen Stunden gegen meine Konkurrenten antreten würde, die höchst wahrscheinlich ausschließlich Jungen sein würden. Ich war es gewohnt wegen meiner technischen Fähigkeiten unterschätzt und manchmal sogar verspottet zu werden, doch jetzt war der Moment gekommen, an dem ich mich beweisen würde.
In der Halle angelangt, musste ich mich in eine aushängende Liste der Teilnehmer eintragen und wurde anschließend in einen großen Raum mit vielen Tischen, Stühlen und Kabeln geführt, wo ich meinen Roboter an die Lichtverhältnisse und andere Schwierigkeiten anpassen sollte. Gehorsam setzte ich mich auf meinen Stuhl, zog meinen Laptop aus der Tasche und machte mich ans Werk. Hinter mir hörte ich leise Stimmen: „Michael schau mal, der letzte Platz ist grad gekommen, ein Mädchen!“, doch es scherte mich nicht.
Nach etwa 30 Minuten Vorbereitungszeit war es endlich soweit. Wir mussten unsere Roboter auf ein Feld stellen, wo die kleinen Legofahrzeuge bis zum Start warten mussten, damit keiner der Teilnehmer schummeln konnte. Die Aufgabe bestand darin, einer vorgezeichneten M-förmigen Linie nach zu fahren, am Start einen grünen Legostein aufzusammeln und ihn in einen ebenfalls grünen, auf den Boden gezeichneten Kasten zu transportieren. Man hatte zwei Versuche direkt hintereinander. Dann wurde ausgewertet und am Schluss der Sieger des Wettbewerbs verkündet. Die ersten drei Plätze würden eine 2-wöchige Reise nach „Rio de Janeiro“ gewinnen und dort kostenlos viele Sehenswürdigkeiten anschauen. In der alphabetischen Reihenfolge wurden die Namen der Teilnehmer aufgerufen, die auf die Bühne kommen sollten, um ihren vorbereiteten Roboter auf der am Boden gezeichneten Bahn fahren zu lassen. Von den beiden Fahrten wurde allerdings nur die Bessere gewertet.
Plötzlich ertönte mein Name durch das Mikrofon des Moderators, der diesen Wettbewerb leitete: „Malina Beck!“ Vorsichtig stand ich auf, nahm meinen Roboter von seinem Platz und stellte ihn auf das Startfeld. Die Zeit wurde von einem jungen Helfer, vielleicht Mitte 20, heruntergezählt: „3,2,1 und LOS!“ Schnell drückte ich auf den Start-Knopf meines Roboters, der sich in Bewegung setzte und die Linie entlangfuhr. Aber Moment, wo ist der Stein?! Er hat ihn nicht eingesammelt. „Nein!“ entfuhr es mir leise, doch ich erntete dafür nur einen spöttischen Blick des Moderators. Hinter mir hörte ich leise Stimmen flüstern: „Das war doch sowas von klar, dass sie es nicht schafft. Die ist doch schließlich ein Mädchen.“ Tränen schossen mir in die Augen, doch ich kämpfte gegen sie an. Ich würde keine Schwäche zeigen! Im Stillen wiederholte ich immer wieder mein Mantra: „Du musst es schaffen, du musst dich beweisen!“ Langsam öffnete ich wieder die Augen und zwang mich mit aller Willenskraft, die ich aufbringen konnte, den restlichen Weg meines Roboters mit den Augen zu verfolgen. Er fuhr die Strecke sauber ab, aber der Stein…! „Und aus!“ Der Helfer drückte auf seine Stoppuhr, um die Laufzeit zu beenden und rief dann erneut: „Zweiter Versuch!“ Schnell nahm ich das kleine Legogefährt in die Hand und stellte ihn erneut auf den Start. „3,2,1 und Los!“ Mein Roboter setzte sich in Bewegung, da! Er hatte den Stein eingesammelt! Mein Mund verzog sich zu einem Grinsen, jetzt musste er nur noch den Rest der Strecke schaffen…
Jetzt war es endlich so weit, die Sieger wurden verkündet. Seit 1,5 Stunden hatte ich auf diesen Moment hin gefiebert, während die anderen Teilnehmer an der Reihe waren. Hatte meine Leistung gereicht? Nur eines konnte ich mit Sicherheit sagen, beim zweiten Durchgang hatte alles hervorragend funktioniert, keine Fehler, gar nichts…
Trommelwirbel, die durch die Lautsprecher zu hören waren, rissen mich ruckartig aus meinen Gedanken. Vielleicht etwas zu ruckartig, denn ich hatte mich so erschreckt, dass ich meinem Sitznachbarn, einen Jungen in meinem Alter, und bestimmt 2,5 Köpfe größer als ich, meinen Ellenbogen in die Seite gerammt hatte und der mich jetzt böse und spöttisch anstarrte. Starr heftete ich meinen Blick wieder auf die Bühne, wo ein Mann gerade die ersten drei Plätze von einer sehr langen Teilnehmerliste verlas. „Und den dritten Platz belegt Johannes Schröder, herzlichen Glückwunsch!“ Der Junge kam vor und stellte sich neben ihn. „Der zweiter Platz ist Simon Nissel!“ Meine Hoffnung auf einen der obersten Ränge schwand und ich ließ den Kopf hängen. Denn Erste war ich bestimmt nicht. „Und der glückliche erste Platz ist…!“, der Moderator runzelte die Stirn, guckte verblüfft auf seine Liste und meinte dann schließlich: „Moment, das muss ein Fehler sein.“ Der junge Mann mit der Stoppuhr trat neben ihn und die beiden Jungen mit der hohen Wertung, warf einen Blick auf die Liste und meinte dann: „Nein, da ist alles in Ordnung, das ist der erste Platz!“, und deutete mit seinem Finger auf einen Namen, der auf der Liste stand. „Nun gut, die Siegerin dieses Wettbewerbs ist Malina Beck!“ Blitzschnell blickte ich auf. Mein Name…, das ist mein Name! Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich spürte, wie sich mir ein Lächeln ins Gesicht stahl, während ich mich auf den Weg zur Bühne machte.
Ich habe es allen gezeigt, die geglaubt haben, Mädchen können so etwas nicht, die behauptet haben Technik ist nur was für Männer, denn das ist es nicht! Ich habe bewiesen, dass Mädchen das genauso gut können wie Jungs!