Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Lena Kucki, 17 Jahre
Seit ich sieben Jahre alt bin, habe ich Vitiligo oder auch die Weißfleckenkrankheit genannt. Eigentlich hab ich dadurch keine körperlichen Einschränkungen, außer das ich hellere Stellen im Gesicht und an den Händen habe. Früher fand ich das noch ganz lustig und habe mich immer einzigartig gefühlt, aber mittlerweile hat sich das geändert. Alles fing an am ersten Tag in der fünften Klasse an. Ich hatte mich in der Pause zu ein paar Mädchen aus meiner Klasse gesetzt, als die “coolen“ Jungs aus unserer Klasse geschlendert kamen. Sie redeten erst nett mit uns, doch plötzlich meinte Kai, der nervigste von ihnen, „Melissa isst du eigentlich Kuhfleisch?“. Ich antwortete irritiert: „Ja, warum?“. Mit höhnischem Grinsen antwortete er: „Na, weil du dann ja deine Verwandten isst, Muh!“. Ich war geschockt, ich meine, es war mir bewusst, dass meine Flecken Ähnlichkeit mit einer Kuh hatten. Aber bis jetzt hatte mich noch niemand damit geärgert. Deshalb war ich auch so geschockt, dass ich nichts erwiderte und die Jungs lachend weg gingen. Im Weggehen hörte ich noch Nils rufen: „Melissa die dumme Kuh!“.
Mia munterte mich auf und sagte: „Mach dir nichts daraus, das sind Jungs, die haben nur Mist im Kopf. Ich finde die Flecken schön“. In der nächsten Mathestunde, hatte ich das ganze schon wieder vergessen und dachte einfach, es wäre eine einmalige Sache gewesen. Aber so sollte es nicht bleiben. Am nächsten Tag fand ich ein Bild von einer Kuh an meinem Spind, ich warf es direkt in den Mülleimer und dachte, wenn ich nicht reagiere, dann werden sie irgendwann aufhören, doch das taten sie nicht. Auf dem Weg zum Klassenraum versteckten sie sich hinter der Ecke und als ich vorbeiging, riefen sie: „Muh, Muh, macht Melissa die Kuh!“. Ich wurde knallrot und ging schnell in den Klassenraum. Ich setzte mich neben Mia, mit der ich inzwischen gut befreundet war. Das waren aber eher die harmlosen Aktionen. Es wurde immer schlimmer, bis es sogar Gruppen auf WhatsApp gab, in denen ich nicht drin war. Es wurde sogar ein Bild herumgeschickt, wo mein Gesicht auf eine Kuh geklebt war. Das erfuhr ich alles von Mia, die die einzige war, die zu mir hielt. Auch die anderen Mädchen hatten sich von uns abgewendet, weil wir nun die Außenseiter waren und sie auch nicht von Kai und seinen Freunden geärgert werden wollten. Das Mobbing wurde immer schlimmer bis ich schließlich nachts nicht mehr schlafen konnte und nicht mehr zur Schule gehen wollte. Ich träumte sogar von ihnen. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, sie hatten sogar einmal Milch über meinen Tisch geschüttet, als ich auf dem Klo war. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.
Mia und ich hatten sogar mit meiner Lehrerin geredet, und sie hatte es vor der Klasse angesprochen, aber das hatte die Situation verschlimmert, denn jetzt galt ich auch noch als Petze. Ich versuchte einfach, es über mich ergehen zu lassen, als Mia alles änderte. Eine Woche nachdem Milch auf meinem Tisch war, kam Mia verändert in die Schule. Sie hatte sich mit weißem Kajal die gleichen Flecken ins Gesicht gemalt wie ich. Ich musste grinsen als ich sie sah, sie war die beste Freundin auf der Welt. Ein Schüler aus unserer Parallelklasse schaute sie an, und sie blaffte ihn nur an: „Sieht cool aus oder willst du auch welche, ich hab den Stift dabei “. Er murmelte: „Nein danke“ und ging weg. Ich liebte Mia für ihre freche und direkte Art. Ich ging zu ihr und sagte: „Du musst das nicht machen!“. Sie widersprach mir direkt: „Ich will aber. Es muss sich was ändern“. Und sie gab nicht auf. Erst überzeugte sie nur drei Leute. Aber am nächsten Tag hatte unsere halbe Stufe die Flecken, und nach einer Woche hatten alle welche, außer Kai, Tim und Nils. Sie versuchten alle, uns aus zu lachen und riefen uns zu: „Seid ihr jetzt eine Kuhherde oder was?“. Jedoch lachten nur die drei. Jetzt waren sie die Außenseiter. Tim war der erste, der sich bei mir entschuldigte. Er kam in der Pause zu mir und meinte, dass sie sich dumm verhalten hätten und dass ihm alles sehr leid tut. Außerdem wollte er auch die coolen Flecken haben. Ich hätte nie gedacht, dass so eine kleine Aktion so viel erreichen kann. Am nächsten Tag kam dann auch Nils auf mich zu und entschuldigte sich für seine Witze, die absolut nicht witzig waren. Und dann geschah das unglaubliche. Kai kam zu mir mit einem Geschenk. Er meinte, er hätte eingesehen, wie dumm und gemein er sich verhalten hatte. Er sagte, er könne verstehen, wenn ich seine Entschuldigung nicht annehmen würde und gab mir ein Päckchen Pralinen. Erst zögerte ich kurz und dann nahm ich die Pralinen und bedankte mich bei ihm. Ich hätte niemals gedacht, dass die ganze Sache einmal so ausgeht. Und ich bin so dankbar, dass es meine beste Freundin Mia gibt. Egal was ist, auf Freunde kann man bauen und mit ihnen kann man alles schaffen.