Filterblasen und Echokammern

Studie: Wer einen Medienmix aus Online- und Offline-Nachrichten zur Information nutzt, schützt sich besser vor einseitigen Weltbildern

Lest ihr noch Zeitung, hört Radio und schaut Nachrichten im Fernsehen? Oder gehört ihr zu denen, die sich nur über Facebook, Instagram oder Twitter informieren? Wenn letzteres zutrifft, seid ihr schwerstens gefährdet, in eine so genannte Filterblase oder Echokammer zu geraten. Psycholog_innen der Universität Ulm zeigten in einer aktuellen Studie, dass Nicht- und AfD-Wähler sowie Unterstützer_innen sonstiger kleiner Parteien die wenigsten Nachrichtenquellen konsumieren – und somit in einer Blase gefangen sein könnten.

*Warum ist es problematisch, Nachrichten nur bei Google zu suchen?*
Das Problem, wenn man zur Informationsbeschaffung nur Google-Suchanfragen oder den Newsfeed von sozialen Medien nutzt, ist, dass uns nur Informationen angezeigt werden, die ein Algorithmus für uns vorselektiert hat. Dadurch geraten wir in „Filterblasen“. Und wissen noch nicht mal, in welche, denn wir wissen nicht, welche Daten über uns schon gesammelt wurden. Wir können die Nachrichtenauswahl also nicht beeinflussen und halten die selektierten Informationen oft für ungefiltert. Gerade wenn es um aktuelle Nachrichten geht, werden solche Blasen in Politik und Wissenschaft als potenziell „demokratiegefährdend“ diskutiert. Eine weitere Folge der Personalisierung im Internet sind „Echokammern“, in denen ausschließlich und wiederholt Inhalte dargeboten werden, die zu unserer Meinung passen und diese verstärken. Hierfür bieten soziale Medien wie Facebook, wo sich ähnlich denkende Menschen vernetzen, den idealen Nährboden. Allerdings können wir Filterblasen und Echokammern vermeiden, wenn wir uns zum Beispiel aus verschiedenen Quellen informieren. Die Anzahl der konsumierten Nachrichtenquellen und die Kategorie dieser Kanäle (Newsfeed, Online-Nachrichtenseite, Printmedium, TV usw.) können also Hinweise auf das Risiko geben, in eine Blase oder Echokammer zu geraten. Inwiefern demographische Merkmale wie Alter und Geschlecht, die Persönlichkeit und Einstellungen die Auswahl von Informationsquellen beeinflussen, haben Forschende um Dr. Cornelia Sindermann und Professor Christian Montag von der Universität Ulm untersucht.

Dafür haben die Psycholog_innen Daten von 1681 Proband_innen ausgewertet. In einer Online-Umfrage wurden sie gefragt, ob sie Nachrichten im Internet, im TV oder Radio, in Printprodukten oder über den Newsfeed sozialer Medien konsumieren. Dabei sollten sie angeben, wie viele Quellen aus den angegebenen Kategorien sie in den vergangenen sechs Monaten genutzt haben. Ausgehend von diesen Daten konnten die Forschenden die absolute Anzahl der verschiedenen konsumierten Nachrichtenquellen erheben sowie drei Gruppen bilden: Erstens Personen, die sich ausschließlich über den Newsfeed sozialer Medien informieren und zweitens Proband_innen, die neben dem Newsfeed weitere Online-Medien nutzen. Die dritte Gruppe konsumiert Nachrichten ausschließlich über gedruckte Zeitungen, TV und/oder Radio. Diejenigen, die sich sowohl online als auch offline informieren wurden nicht gewertet, da sich sich offenbar ausgewogen über das Tagesgeschehen informiert. Um die Persönlichkeit und Einstellung der Studienteilnehmenden einschätzen zu können, wurden Ausprägungen in den Big Five -Merkmalen (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus) ebenso erhoben wie das Ausmaß autoritärer Einstellungen (Right Wing Authoritarianism/RWA). Zuletzt sind die Teilnehmenden gefragt worden, welche Partei sie wählen würden, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre (Optionen: CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke, AfD, sonstige Parteien, „Ich würde nicht zur Wahl gehen“)

*Jüngere nutzen eher soziale Medien zur Information*
Die Auswertung ergab, dass je älter die Studienteilnehmenden waren, desto mehr Nachrichtenquellen nutzten sie. Und Männer konsumieren eine höhere Anzahl an Informationskanälen als Frauen. Personen, die mehrere unterschiedliche Quellen nutzen, zeigten sich in ihrer Persönlichkeit außerdem vergleichsweise offener und weniger autoritär eingestellt.

Die Newsfeed-Gruppe, die sich ausschließlich in sozialen Medien informiert, wies mit 24,26 Jahren das geringste Durchschnittsalter auf. Das höchste Durchschnittsalter (36,39 Jahre) haben hingegen diejenigen, die sich nur offline (Zeitung, TV oder Radio) informieren. Diese „Offline-Gruppe“ wies im Übrigen auch die höchsten Werte in Gewissenhaftigkeit und die geringsten in Neurotizismus auf. „Die Newsfeed-Gruppe hat das größte Risiko, in einer Filterblase oder Echokammer gefangen zu werden: Mitglieder nutzen nur eine Art von Nachrichtenquelle, in der auch noch potenziell stark selektierte Informationen angeboten werden. Dazu kommt die für soziale Medien typische eigene Selektion, die die Vorauswahl durch Algorithmen noch einmal potenzieren kann“, erklärt Cornelia Sindermann. Allerdings seien weniger als 5 Prozent der Befragten dieser ausschließlichen „Newsfeed-Gruppe“ zuzurechnen.
Doch wie hängen diese Ergebnisse damit zusammen, welche Partei man wählen würde? In der Studie geben Personen, die die AfD, eine sonstige Partei oder gar nicht wählen würden, die niedrigste Anzahl konsumierter Nachrichtenquellen an.

Für die Psycholog_innen ist somit belegt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Alter, Persönlichkeitsmerkmalen, individueller Einstellung und der Anzahl genutzter Nachrichtenquellen. Beruhigenderweise sehen die Forschenden aber nur bei einer relativ kleinen Gruppe von unter fünf Prozent die große Gefahr, tatsächlich in Filterblasen oder Echokammern zu geraten. Sie weisen allerdings darauf hin, dass hierzu weitere Studien durchgeführt werden sollten, die Methoden der Psychologie und Informatik („Psychoinformatik“) kombinieren. So könnte beispielsweise der Inhalt der konsumierten Nachrichten analysiert und dessen Zusammenhang mit Wahlpräferenzen untersucht werden.

In einem neuen Projekt wollen die Psycholog_innen der Uni Ulm untersuchen, ob das Erkennen von „Fake News“ im Gegensatz zu „wahren Nachrichten“ ebenfalls mit dem Nachrichtenkonsum zusammenhängt. Die Datenerhebung ist bereits angelaufen. Interessierte können unter www.fake-news-test.de teilnehmen.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung