Die Fische schreien
Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Julia Rennert, 18 Jahre
Leuchtend rot schimmert der Teich durch das Dunkel des Waldes. Noch bevor das Gesträuch die kleine Lichtung, auf der unsere Hütte steht, freigibt, trägt der Wind mir deine Verfehlung entgegen. Der Teich steht lichterloh in Flammen und du, den Kanister und die Streichholzschachtel immer noch in den Händen, hast dich als stummer Wächter seines Verfalls am Ufer positioniert. Unter dem gequälten Seufzen des Wassers trete ich zu dir in die Hitzekorona, noch unsicher, ob ich dich schlagen oder ganz fest umarmen möchte. Die Wellen drückender Wärme lösen kleine Tropfen zähen Schmelzes von meinen Gedanken, die sich ungeachtet der Beeinträchtigung zu einer festen Frage vereinen.
„Kannst du die Fische schreien hören?“
Du rührst dich keinen Millimeter. Schon seit Wochen verschließt du dich der tausendfachen Reflexion des Wassers zugunsten eines unsteten Flackerns, das aus deinem tiefsten Inneren nach außen dringt, um in der Realität Bestätigung zu erheischen. Das Resultat dieses unseligen Aufstiegs umfasst mehr, als du noch zu begreifen vermagst. Inzwischen ist der fiebrige Widerschein der Flammen das einzige Leuchten in deinen Augen.
Die wirteligen Fackeln, einstmals Zierde unseres Gartens in Form eines Bambusspaliers, vereinen sich zu einer wallenden Mauer, die uns von dem Gemisch aus siedendem Wasser und Benzin zurückzudrängen versucht, du aber weichst nicht von deinem angestammten Posten, zu sehr nimmt dich das Unheil in Beschlag.
„Wenn es welche gäbe, wären sie jetzt längst hervorgekommen“, versuche ich es erneut. Wieder erhalte ich keine Reaktion.
Die Seerosen falten sich wie kleine, schwarze Origami-Wesen zusammen und zerfallen zu Asche, die sich mit dem brennenden Wasser zu einem siedenden Teer vereint. Schwerer Rauch zeichnet Hilferufe in den Himmel und der flackernde Schein tut das seine, ihnen ein letztes Spektakel angedeihen zu lassen, ehe sie unbeantwortet zerstieben, um sich in einem letzten schwächlichen Akt des Widerstandes auf die lodernden Flammen zu legen und sie unter sich zu ersticken suchen.
„Es gibt keine Meermenschen, erst recht nicht in unserem Teich.“
Seufzend sinkt das Feuer in sich zusammen. Aus der Glut steigen schwarze Schwaden, Schatten vergangener Schlangen, Frösche, Fische und möglicherweise auch anderer Wesen, von deren Existenz, sollte sie einmal bestanden haben, wir nie erfahren werden. Wo einst das Wasser war, befindet sich nur noch eine rauchgeschwärzte Grube, die zum letzten Geleit die verkohlten Stümpfe schwelen Bambus‘ umringen. Von den Bergen her zieht ein Wind auf, treibt dir die Asche ins Gesicht und in die Kleidung, doch du rührst dich nicht. Ein weißer Schleier legt sich über dich, zieht Falten über dein Gesicht und brennt sich in deine Haut, er umhüllt dich fest und du kleidest dich in ihn, bereit für die Zwangshochzeit, zu der er dich führt. Erst als ich dir die Asche vorsichtig vom Gesicht wische, erwachst du aus deinem nihilistischen Traum, drehst dich langsam mir zu und flüsterst mit tausend Stimmen: „Das war es mir wert.“