"Schule müsste ein Ort intensiver Begegnungen werden"
Studie untersuchte Islamfeindlichkeit bei Jugendlichen
Obwohl die meisten Jugendlichen grundsätzlich für eine vielfältige, multikulturelle Gesellschaft sind, ganz selbstverständlich in ihr aufwachsen und sich gegen Diskriminierung aussprechen, zeigen doch viele von ihnen Vorurteile und Ablehnung gegenüber dem Islam. Dies ist ein Ergebnis eines von der Stiftung Mercator geförderten Forschungsprojekts, das sich seit 2017 mit Islamfeindlichkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt hat. Hintergrund der Untersuchung ist die Tatsache, dass seit Anfang der 2000er Jahre ablehnende Haltungen gegenüber Muslim_innen massiv zunehmen und Islamfeindlichkeit im europäischen Vergleich in der Bundesrepublik besonders verbreitet ist, wie Studien herausfanden. Viele der etwa 4,3 Millionen hier lebenden Muslim_innen erleben Islamfeindlichkeit im Alltag z.B. durch Benachteiligungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und auch in der Schule. Neben diesen strukturellen Diskriminierungen tritt der antimuslimische Rassismus auch immer deutlicher "bei islamfeindlichen Demonstrationen und Kundgebungen, in Hass-Postings und -Kommentaren auf Social Media Plattformen oder in Äußerungen von Akteur_innen in Politik, Medien und Wissenschaft" zutage, so die Forscher_innen.
*Stereotype Vorstellungen von Medien befeuert*
Für die vorliegende Studie interviewten und befragten Bildungswissenschaftler_innen der Universität Duisburg-Essen und des Interdisziplinären Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld nicht-muslimische Jugendliche und fanden tatsächlich eine ganze Reihe von Vorurteilen. So zeigten viele der Schüler_innen, dass sie stereotype Vorstellungen (z.B. Unterdrückung von Frauen oder Islamismus) haben. Gefragt danach, wo sie denn dem mit "dem Islam" in Kontakt seien, antworteten viele, dass sie die Schule nicht als Ort der Auseinandersetzung über den Islam und nicht als Ort der engen sozialen Kontakte mit Muslim_innen erfahren. Ihr Wissen beziehen sie hauptsächlich aus Massenmedien und sozialen Netzwerken, gaben die Befragten an.
*Freundschaften mindern Islamfeindlichkeit*
Hatten sie dagegen persönliche soziale Kontakte im Freundeskreis, in der Schule, in der Nachbarschaft oder durch Moscheebesuche waren die Vorurteile weniger ausgeprägt. Vor allem freundschaftliche Beziehungen zu Muslim_innen mindern islamfeindliche Einstellungen unter Jugendlichen, so die Studienergebnisse.
*Religion und Lebenswirklichkeit *
Interessanterweise wussten die befragten Schüler_innen mehr über die Glaubenslehre als über die Lebenswirklichkeit von Muslim_innen. Dabei zeigte sich: je mehr sie über die Lebensrealität wussten, desto eher nahm die Muslimfeindlichkeit ab.
*Antimuslimischem Rassismus vorbeugen*
Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit unter Jugendlichen zu begegnen, so die Forscher_innen. Zu diesem Zweck haben sie einen Präventionszirkel mit fünf Modulen entwickelt, der einerseits Wissen vermittelt und andererseits Raum für Begegnung und Reflexion bietet. Dabei entstand auch eine Übersicht über entsprechende Konzepte, die bereits in der Praxis erprobt wurden und die in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen aufgegriffen werden können.
*Was sich in der Schule ändern müsste*
"Schule sollte verstärkt zu einem Ort intensiver Begegnung mit dem Islam werden. Dabei sollten Schulen auch Einblicke in die Lebenswelt muslimischer Menschen ermöglichen", so Lamya Kaddor von der Universität Duisburg-Essen. "Die muslimische Lebenswelt ist vielschichtig und divers", so Prof.in Dr. Nicolle Pfaff von der Universität Duisburg-Essen. "Schulen, Vereine und Jugendtreffs sind Orte, an denen ein kritischer Umgang mit sozialen Zuschreibungen eingeübt werden kann. Wir müssen Jugendliche hierbei befähigen, Vorurteile und Rassismus zu erkennen." Dr. Susanne Farwick, Leiterin des Bereichs Integration der Stiftung Mercator ergänzt: "Um langfristig Schule und Unterricht in dieser Richtung weiterzuentwickeln, muss auch die Lehrer_innenbildung in den Blick genommen werden. Sie thematisiert noch zu wenig die Normalität der Migrationsgesellschaft. Dabei ist es wichtig, Rassismus und Diskriminierung aufzugreifen, als Themenfelder im Curriculum zu verankern und Lehrer_innen im Rahmen von Professionalisierungsprozessen bei der Entwicklung einer reflektierten Haltung zu unterstützen."
Mehr Infos zu den Ergebnissen findet ihr unter
Und hier noch eine aktuelle Studie zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 20. Mai 2020