Müllschlucker retten die Ozeane nicht
Studie: Um das Plastikproblem in den Griff zu kriegen sind Sammelaktionen wie die des Projekts „Ocean Cleanup“ nicht ausreichend. Stattdessen müssen die Produktion von Kunststoff eingestellt und umweltverträgliche Alternativen gefördert werden.
Es wäre so schön: Riesige Müllschlucker schippern über die Weltmeere, schlucken großflächig all das Plastik, was dort gelandet ist, bringen es sicher an Land und führen es einer sinnvollen Wiederverwertung zu. Und in ein paar Jahren sind die Meere wieder sauber. Das niederländische Projekt „Ocean Cleanup“ nährt solche Hoffnungen, die private Initiative strebt eine Reinigung mithilfe von schwimmenden Barrieren an, die das Plastik sammeln und an Land bringen. Doch dieser Beitrag zur Säuberung der Ozeanoberfläche ist sehr gering, so das Ergebnis einer jüngst veröffentlichten wissenschaftlichen Studie an der Jacobs University Bremen. Agostino Merico, Forscher am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen sowie Professor für Ökologische Modellierung an der Jacobs University Bremen, glaubt, dass derartige Technologien "uns nicht dabei helfen, das Plastikproblem zu lösen“.
*Mikroplastik in den Ozeanen: so viel wie 4.000 Blauwale*
Stattdessen müssten wir "dringend überdenken, wie wir Plastik produzieren, konsumieren und entsorgen und wie wir nachhaltige Alternativen vorantreiben können“, so der Mitautor der jüngst veröffentlichten Studie. Plastikabfälle sind eine akute Bedrohung für das globale Marine Ökoystem. Viele Meeresbewohner fressen oder verschlucken Plastik mit oft tödlichen Folgen. Bei der Zersetzung geben Kunststoffe giftige und hormonell wirksame Zusatzstoffe wie Weichmacher in die Meeresumwelt ab, die von Organismen und schließlich auch dem Menschen aufgenommen werden. Die Autoren schätzen, dass derzeit 399.000 metrische Tonnen Plastik die Ozeane verschmutzen, davon sind 69.000 metrische Tonnen Mikroplastik. Das entspricht dem Gewicht von etwa 4.000 Blauwalen, den größten Bewohnern der Meere, die im Durchschnitt rund 100 metrische Tonnen schwer sind. Bis zum Jahr 2052 wird die Plastikmenge nach Schätzungen der Studie 860.000 metrische Tonnen erreichen – das ist mehr als das Doppelte der heutigen Menge.
Eine Reihe von privaten Initiativen hat sich zum Ziel gesetzt, die Meere von Plastikmüll zu befreien. So strebt die „Ocean Cleanup“ an, den „Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik, den größten Müllstrudel in den Ozeanen, innerhalb von 20 Jahren zu reinigen. Dazu sollen 600 Meter lange, schwimmende Barrieren eingesetzt werden, die das Plastik sammeln, um es später an Land zu recyceln oder zu verbrennen.
*Ocean Cleanup hilft nicht effektiv, schafft aber Aufmerksamkeit*
Die Studie mit dem Titel „The long-term legacy of plastic mass production“ analysierte nun anhand von mathematischen Modellen die Auswirkungen des Einsatzes von 200 solcher Müllschlucker. In dem Szenario sammeln sie 130 Jahre lang – von 2020 bis 2150 – ohne Ausfallzeiten und würden das Plastikaufkommen in dieser Zeit um 44.900 metrische Tonnen reduzieren. Das entspricht etwas mehr als fünf Prozent der geschätzten globalen Gesamtmenge bis zum Ende dieses Zeitraums. „Angesichts der riesigen Mengen an Plastikmüll, die fortwährend die Ozeane verschmutzen, ist das ein eher geringer Beitrag“, sagt Dr. Sönke Hohn von ZMT, einer der Autoren. Jedoch betont Merico: "Obwohl Projekte wie ‚Ocean Cleanup' nicht so effektiv für die Säuberung der Ozeane sind, wie viele von uns denken, wollen wir das nicht per se in Frage stellen. Diese Initiative ist nach wie vor bewundernswert und nützlich.“ Zudem machen Initiativen wie Ocean Cleanup auf die gigantischen Mengen Plastikabfälle in den Ozeanen aufmerksam. Andererseits könnte auch der falsche Eindruck entstehen, die Verschmutzung sei nicht so schlimm, weil es ja diese tollen Müllschlucker gebe.
*Was passiert mit dem gesammelten Müll an Land?*
Sorge bereitet den Forscher_innen aber auch das Schicksal des Plastikmülls, der gesammelt und an Land gebracht wird. Ihn zu recyceln ist schwierig, weil das Plastik sehr vielfältig und oft mit Mikroorganismen bewachsen ist. Der Aufwand für eine Sortierung wäre sehr hoch. Lösungen wie Verbrennen oder Vergraben sind aus ökologischen Gründen unpraktisch. Beim Vergraben könnte der Boden verunreinigt werden, beim Verbrennen gelangt CO2 in die Atmosphäre. Für Forscher Merico gibt es darum nur eine Lösung: "Wir müssen die Produktion von Kunststoffen einstellen und alternative, nachhaltigere Lösungen wie die Verwendung biologisch abbaubarer Materialien fördern."
Die Ergebnisse der Studie, an der auch Forschende vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, der University of Exeter in England sowie von der NGO „Making Oceans Plastic Free“ beteiligt waren, ist kürzlich in der Zeitschrift „Science of the Total Environment“ erschienen.
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Ein Jugendbildungsprojekt
Quelle:
Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion; Bild: Making Oceans Plastic Free
CC BY-NC-SA 3.0