An einem warmen Sommernachmittag schien die glänzende Sonne besonders stark in den azurblauen Himmel, der sich auf dem schimmernd, klaren Meerwasser spiegelte. Von einem kleinen Ufer aus beobachtete ein Mädchen namens Samira den wahrhaften Anblick. Eine leichte Brise ließ ihr kurzes, braunes Haar flattern. In ihrem Gesicht spiegelte sich ein Lächeln. Was für ein schöner Tag, dachte sie genießend. Es war der perfekte Tag zum Schwimmen. Schade nur, dass es so schwül war. Bestimmt waren es hier 40 Grad. Samira spannte die Muskeln an, holte tief Luft und sprang mit einem Kopfsprung ins tiefe Meer. Als Samira ganz untergetaucht war, merkte sie wie warm das Wasser war, so erhitzt von der Sonne. Samira konnte jede Alge und jeden kleinen Fisch entdecken. Es war wunderschön. Dann schwamm sie weiter hinaus auf das Meer. Sie genoss jeden Augenblick und drehte sich fröhlich im Wasser um sich selbst. Gerade, als sie einen besonders schönen Fisch entdeckte, spürte sie plötzlich von hinten einen eiskalten Wassersog. Kurz darauf fasste Samira etwas von hinten und schlug sich um ihren Körper. Erschrocken griff sie danach.
Sie hielt ein kleines, zerfetztes Fischernetz in den Händen. Sie drehte sich verwundert im Wasser in die Richtung, aus der das Fischernetz gekommen war. Sie schaute angestrengt in die weite Ferne, hinaus auf das Meer. Durch noch einen entfernten Wassersog, der plötzlich direkt auf sie zukam, sah sie noch etwas sehr, sehr großes auf sie zukommen. Sogar von ihrer Entfernung aus, erkannte sie sofort, dass es sich um ein zweites, noch sehr viel größeres Fischernetz handelte. Die Strömung rauschte mit dem riesigen Netz auf sie zu, wie ein weit aufgerissenes Maul einer Bestie. Entsetzt erkannte sie, dass Gefahr in Verzug war und so drehte sie sich um, um so schnell wie nur möglich davon zu schwimmen. Sie ruderte wild mit Armen und Beinen, so schnell wie noch nie. Ihr Herz klopfte wie verrückt, drohte sie zu ersticken und blieb ihr bald die Luft aus. Sie versuchte Richtung Ufer zu schwimmen und wagte mit angehaltenem Herzen einen kurzen Blick nach hinten. Die lebensgefährliche Strömung mit dem Fischernetz kam immer näher und näher. Jetzt sah Samira auch, dass in dem Netz Tonnen von Müll hingen und auch tote Fische und Algen darin verfangen waren. Panik brannte in Flammen in ihr auf und sie versuchte vergeblich schneller zu schwimmen, während die Strömung sie schon fast erreicht hatte. Und dann war es auch schon zu spät. Das Fischernetz war da. Es kam in voller Wucht auf Samira zu und schlug sich wie eine riesige Spinne um ihren Körper. Voller Angst und Panik versuchte sie sich aus der Falle zu befreien. Sie strampelte wild mit Armen und Beinen um sich, doch es machte alles nur noch schlimmer. Das Fischernetz verfing sich wegen der starken Strömung immer mehr um Samira. Ihre Bewegungen kamen gegen die Strömung nicht an und sie verlor die Kontrolle. Mit einem harten Stich im Herz wurde ihr klar, dass es zu spät war. In ihrer Brust drückte es, ihre Lungen brannten und schrien nach Luft und in ihrem Kopf pulsierte das Blut. Ich werde ertrinken! schoss es ihr durch den Kopf. Hilfe! Ihr wurde schwindelig und alles drehte sich. Dann wurde alles schwarz und sie verlor das Bewusstsein.
VIER TAGE VERGEHEN
Samira wachte auf. Langsam schlug sie ihre bleischweren Lieder auf. Erst wusste sie nichts mehr. Doch dann schlugen sie alle Erinnerungen wie eine harte Welle um. Sie wusste wieder alles. Sie war ertrunken. Aber wieso lebte sie jetzt noch? Oder war sie etwa tot? Eine Stimme von weit weg holte sie ins Hier und Jetzt zurück. Über Samira beugte sich ihre Mutter mit kreidebleichem und sorgenvollem Gesicht. Samira blickte ihre Mutter an. Da schluchzte ihre Mutter laut auf und fiel Samira in die Arme. „Mein Schatz!“, sagte sie tränenerstickt. „ Du... du hast es geschafft! Ich habe dich so schrecklich lieb!“
„Mama“, krächzte Samira nur. „...Wo bin ich?“
Da kamen wie aus dem Nichts zwei Ärzte auf Samira zu, die in einem Krankenbett lag und mit piepsenden Maschinen verbunden war.
„Wie fühlst du dich denn?“, fragte der eine behutsam.
„...Müde“, konnte Samira nur sagen. Sie fühlte sich total aufgebraucht. Ihre Glieder waren wie eingeschlafen und ihr Kopf fühlte sich nebelig an. Der zweite Arzt fügte hinzu: „Es ist ganz normal, wenn du dich sehr schlapp fühlst. Du brauchst viel Erholung. Allerdings musst du wissen, dass du unglaubliches Glück hattest.“
Er zeigte auf einen Mann, der ebenfalls wie aus dem Nichts auftauchte. „Das ist Athäus. Er ist es, der dir im letzten Moment das Leben gerettet hat. Du hast auch riesiges Glück gehabt, dass du keine zu schweren Schaden davon tragen wirst." Samira konnte es nicht in Worte fassen, doch in ihrem Inneren breitete sich eine überwältigende Dankbarkeit für diesen Mann aus, der ihr das Leben gerettet hatte.
„Ich rufe jetzt deinen Vater an“, verkündete ihre Mutter.
Sie verschwand aus dem Raum. Auch die Ärzte gingen, nachdem sie Samira ein paar Anweisungen gegeben hatten. Es blieben nur noch Samira und Athäus der sich nicht vom Fleck gerührt hatte und eine undurchdringliche Miene verzog.
Wie... war es denn...?“, fragte Samira langsam.
Athäus holte tief Luft und fing unerwartet an zu sprechen: „Ich fuhr mit meinem Boot auf das Meer, als ich im Wasser etwas merkwürdiges bemerkte. Ich tauchte sofort unter, um nachzusehen. Da warst du. Verfangen in einem Fischernetz, bewusstlos und unfähig im Wasser schwebend. Ich holte dich sofort raus und dachte schon ich käme zu spät, doch dein Puls schlug noch leicht. Ich rief die Ärzte, die eine viertel Stunde brauchten, um dich wiederzubeleben. Du warst im Koma und wurdest auf die Intensivstation gebracht. Nun bist du auf der normalen Station.“
Samira seufzte. Dann trat Athäus aus der Ecke. Erst jetzt konnte Samira ihn genau sehen. Er war groß, muskulös, hatte schwarzes Haar und trug smaragdgrüne Kleidung. Dann reichte er Samira mit ausgestrecktem Arm einen kleinen Zettel. Samira nahm ihn, faltete ihn aus und las:
Montag 22 Uhr am Wald
Samira war ratlos: „Was soll das heißen?
Geh da hin. Die anderen warten dort auf dich“, sagte Athäus mit einer tiefen Stimme. Samira wollte schon fragen, wen er mit "die anderen“ meinte, doch er sprach einfach weiter: „Eine Gefahr droht zu kommen. Sie kommt immer näher und näher. Und ob Morgen oder in zehn Jahren, es wird kommen. Doch alle schauen einfach weg. Sie wollen es nicht wahr haben und lieber ihr bequemes Leben weiter leben.
Und ihr, du und die anderen, die auch einen fast tödlichen Unfall hatten, ihr werdet euch zusammentun. Ihr seid wenige, aber stark. Ihr habt die Willenskraft, nach eurem Unfall alles zu ändern. Ihr werdet alle zusammenhalten. Euer Unfall, für den nur die Menschen verantwortlich sind, hat euch die Augen geöffnet. So werdet ihr auch den anderen die Augen öffnen. Der Konsum, die verbrannten Wälder, die Plastikmeere, die geschmolzenen Eiswüsten...! Die Natur wird sich gefährlich rächen. Wir können viel dagegen tun! Jetzt oder nie, sonst ist es zu spät. Was weg ist, kommt nie und nimmer wieder zurück. Ab jetzt, fängt ein neuer Lebensabschnitt für dich an. Gib alles, aber nicht auf. Alle müssen jetzt zusammenhalten.“