Heute ist wie jeder andere Tag.
Ich liege schweißgetränkt in meinem Bett . Es ist heiß. Es ist immer heiß. Ich stehe auf. Es ist dunkel hier unten, aber das stört mich schon lange nicht mehr. Ich kenne mich hier aus. Es ist schließlich unser Zuhause und schlussendlich ist es mein Zuhause.
Ich kann mich immer noch an unser altes Zuhause erinnern, undeutlich, aber merklich. Ein Foto mit der Zeit sonnengebleicht. Wir wohnten in einem kleinen Haus mit einem Garten, in dem wir Gemüse angepflanzt hatten und Blumen, Sonnenblumen. Du hattest Sonnenblumen immer geliebt. Wann immer es regnete, saßen wir drinnen und hörten dem Regen zu, der gegen die Scheibe prasselte, während wir uns Geschichten aus unserer Kindheit erzählten. Die Geschichten sind nun auch alle sonnengebleicht und von unserem Haus ist nur noch Staub übrig.
Ich nehme meinen Mantel vom Kleiderhaken neben dem Ausgang. Die Hitze macht ihn zu tragen unerträglich, aber notwendig. Ich kann der Sonne nicht entkommen, aber ich kann zumindest Verstecken mit ihr spielen. Doch für wie lange?
Ich brauche rund fünfzehn Minuten um die Oberfläche zu erreichen, welche schon vorher durch ein blendendes Licht, welches die Höhle erfüllt, angedeutet wird. Es schmerzt meine Augen zu öffnen, aber keine Tränen laufen meine Wangen entlang; es sind keine mehr übrig. Die Sonne heißt mich mit offenen Armen und einem sadistischen Lächeln willkommen. Es ist ein neuer Tag. Ich fange an umherzuirren. Wasser ist mein einziges Ziel. Nur einen Tropfen, aber ich bin mir nicht sicher, ob noch welches übrig ist. Ist meine Hoffnung die letzte Sache, die nur mir nehmen möchtest, oder ist es zu amüsant mir dabei zuzugucken, wie ich armselig nach dem suche, was Du mir genommen hast? Ich möchte schreien, aber kein Laut verlässt meine Lippen, ich habe die Kraft nicht. Du hast mir diese schon vor langer Zeit genommen, Sonne.
Ich habe schon darüber nachgedacht mein eigenes Blut zu trinken, aber jedes Mal, wenn ich eine Scherbe an meine Adern lege, verlässt mich der Mut. Meine Überzeugung und Entschlossenheit sind schon lange nicht mehr das, was sie einmal waren.
Ich irre herum für Stunden auf der Suche nach Wasser. Staub und Steine sind das einzige, was von unserer einst blühenden Zivilisation übrig sind. Das einzige Andenken an das, was wir einst Menschheit nannten, sind die Wälder aus Grabsteinen. Ihnen war einst der ominöse Name der Knochenfelder zuteil gewesen, aber mittlerweile gibt es keine Kinder mehr, die ihn furchterfüllt flüstern.
Während sich der Mittag nähert wird es immer heißer. Ich muss umkehren. Ich brauche Obdach. Tag für Tag kann ich eine kürzere Distanz zurücklegen. Tag für Tag wird meine Suche nach Wasser mehr und mehr hoffnungslos. Tag für Tag…
Die Haut an meinen Händen und in meinem Gesicht fängt an zu schmoren. Ich muss mich beeilen. Meine Haut schlägt schon Blasen, als ich mein Zuhause erreiche. Hoffnung und Schmerz hast Du mir gelassen. Die Mittagsstunden sind kaum erträglich. Es ist zu heiß, um sich zu bewegen. Zu heiß, um zu schlafen.
Zehrend verstreichen die Stunden. Wie viele waren es nun gewesen? Ich weiß es nicht. War ich bewusstlos gewesen? Es ist immer noch heiß. Es ist immer heiß, aber es scheint mir als wenn ich den Abend eines weiteren Tages erreicht hätte. Wie viele waren es nun gewesen? Ich weiß es nicht.
Die Sonne sinkt langsam am Horizont; Zeit dich zu besuchen. Dein Türschild ist ein flacher Stein, leuchtend weiß, bis auf eine Sonnenblume, die auf den Stein gemalt ist. Dein Name und der Schriftzug Mein Platz in der Sonne sind in den Stein geritzt. Als wir jung waren, hattest Du zu sagen gepflegt, dass alles, was Du brauchtest, um glücklich zu sein, ein Platz in der Sonne wäre. Ich hoffe, ich habe Dir Deinen Wunsch erfüllt. Ich hoffe Du bist glücklich. Der Wind trägt ein Lachen mit sich, welches niemand gelacht hat und den Duft von Blumen, Sonnenblumen.
Meine Lippen sind trocken. Ich habe seit Wochen kein Wort mehr gesprochen, seit Monaten. Ich habe seit Jahren nicht mehr gelacht, aber zumindest lässt der Gedanke an Dich mich manchmal lächeln. Ist das nicht schön? Ein Lächeln.
Die Sonne winkt zum Abschied und ich suche nach Worten. Irgendwelche letzten Worte, um diesen Tag zu verabschieden. Meine Gedanken beginnen ihre Farbe zu verlieren. Dies ist also das letzte, was du mir nehmen möchtest, Sonne? Hast du mir nicht schon genug genommen? Was gibt es noch? Was noch? Nein. Ich möchte diesen Tag nicht mit sinnlosen Flüchen beenden. Der Wind, mein letzter Begleiter, weht ein letztes Mal mit einem Seufzer. Vielen Dank, mein Freund.
“Dies ist unser Platz in der Sonne.”