Das Märchen vom Kapitalismus und der Nachhaltigkeit

Einsendung zum Wettbewerb Acker, Algen, Algorithmen von Nora Großmann, 25 Jahre

Stets war der Mensch erfindungsreich,
die Klimakrise nutzt er gleich,
um Wirtschaftswachstum zu gewinnen,
er lernt aus Stroh bald Gold zu spinnen.

Drum ist jede Wand in meiner Stadt
mit Reklametafeln eingepackt,
versprechen munter bunte Wunder:

Es füllt das Bild ein fetter Schelm
am Grill mit Schwert und Ritterhelm.
Die Werbung ist schon kommentiert,
Graffiti wurde draufgeschmiert:
„Aber 'Sojawürstchen' ist unlautere Werbung?!“

Schau, Dating-Apps kannst du vergessen –
verstehst du's nur, dich aufzudressen:
Tanze mit deinem Traumprinzen
(oder deiner Traumprinzessin)
im Schuh vom Haselzweig!
Aus Blattleder und Bast und Rinde:
Drum prüfe, wer die Schleife binde!

Auch Obst wird heiter angepriesen:
Schneewittchen räkelt sich auf saftigen Obstbaumwiesen,
mit Früchten reichlich eingedeckt.
Die roten Lippen sich geleckt,
will sie uns sagen:
Hmmm das schmeckt!
Dank Äpfeln frei von Pestiziden,
lässt die böse Königin sie zwangsläufig in Frieden.

Der neuste Trend der Bademodenschau
heißt:
Schwimmen, wie die kleine Meerjungfrau.
Das kluge Garn aus Tang gewebt,
die Algenzellen sind belebt,
und photosynthetisch noch aktiv -
Mode war stets kreativ.

Die Fluggesellschaft „Aladin“
verspricht:
Erneuerbares Kerosin:
guten Gewissens dein Traumziel erreichen
und deine Klimaschuld begleichen!

Auch wenn dies keine Märchen bleiben,
es reicht nicht,
um ein Happy End zu schreiben.
Doch noch lässt sich die Zukunft lenken:
Es bringt etwas,
die alten Probleme neu zu denken.

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