Ärztin für Rechtsmedizin
"Mein Favorit ist das Untersuchen von lebenden Gewaltopfern"
Britta ist Ärztin an einem Institut für Rechtsmedizin - genau das Fachgebiet, das in den Krimis und in der Umgangssprache meist noch „Gerichtsmedizin“ heißt. Wir haben sie gefragt, was das Besondere an diesem Beruf ist.
*Wie bist du auf die Idee gekommen Gerichtsmedizinerin zu werden?*
Zuerst ging mein Medizinstudium in Richtung Chirurgie. In einem Auslandssemester in Spanien konnte ich auch Fächer aus anderen Studienjahren belegen; Rechtsmedizin klang interessant. Von der ersten Vorlesung an hat es mich nicht mehr losgelassen, sodass ich später in Deutschland eines meiner Pflicht-Tertiale in der Rechtsmedizin verbracht habe. Ich war mir sicher, dass ich mich entweder vier Monate lang nur übergeben müsste oder das Fachgebiet finden würde, das mich mein Leben lang begleiten wird. Glücklicherweise traf letzteres zu.
*Stimmt es, dass du eine von Deutschlands jüngsten Rechtsmedizinerinnen bist?*
Es ist es richtig, dass ich relativ zügig mit Schule, Studium und Doktorarbeit durch war. Vor etwa vier Jahren (da war ich 24 Jahre alt), hatte ich neben einer Festanstellung an einem rechtsmedizinischen Institut meinen Doktortitel in der Tasche. Das fand ich schon klasse. Ich hatte allerdings auch das große Glück, dass ich zu jedem Zeitpunkt die volle Unterstützung meiner Familie genießen konnte und manchmal einfach auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war.
*Welchen Tipp kannst du Mädchen geben, die gern Gerichtsmedizinerin werden möchten?*
Ich denke, der wichtigste Tipp für den Anfang ist - auch wenn das stark nach einem Ratschlag von Mutti klingt - mach ein gutes Abi! Nur so bekommt man schnell und unproblematisch einen Studienplatz für Medizin. Auch danach, also im Studium, muss man dann ein bisschen Gas geben. Das Medizinstudium dauert (wenn man es in einem Rutsch durchziehen kann) sechs Jahre. Wenn man die Spezialisierung zur Rechtsmedizinerin wählt, folgen mindestens fünf Jahre Facharztausbildung, von denen man jeweils mindestens vier Jahre in der Rechtsmedizin, sechs Monate in der Pathologie und sechs Monate im Bereich Psychiatrie arbeitet. Aber Mädels, lasst euch gesagt sein: es lohnt sich!!!
Brittas "Spezialgebiet"
Im Rahmen meines Dienstes muss ich zwar alle Bereiche abdecken, aber das Untersuchen von lebenden Gewaltopfern ist schon mein Favorit.
*Wo arbeiten GerichtsmedizinerInnen?*
Die meisten RechtsmedizinerInnen arbeiten in Instituten, die zu größeren Universitätskliniken gehören. Einige KollegInnen lassen sich aber auch, in der Regel erst mit abgeschlossener Facharztausbildung, nieder und arbeiten dann auf eigene Rechnung. Einige wenige Stellen für RechtsmedizinerInnen gibt es auch beim BKA (Bundeskriminalamt) und den LKAs (Landeskriminalämtern), auch die Bundeswehr beschäftigt meines Wissens ein paar RechtsmedizinerInnen.
*Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?*
Er beginnt in der Regel morgens um acht Uhr. Ich verschaffe mir erst mal einen Überblick, was am Tag so anliegt. Wenn ich "Dienst" habe, geht es meist um neun Uhr in den Sektionssaal. Je nachdem, was in den Vortagen so passiert ist machen wir bis zu sechs (im Notfall auch mal acht) Sektionen. Dabei arbeiten wir immer in Zweierteams, plus einem erfahrenen Präparator. Die Arbeitsteilung ist notwendig, um zügig voran zu kommen und dabei nichts zu übersehen. Die Dienstärzte sind zu jedem Zeitpunkt telefonisch erreichbar, falls die Mitarbeit eines/r RechtsmedizinerIn an einem Leichenfundort erforderlich ist. Diesen Rufbereitschaftsdienst gibt es auch am Wochenende. Die Dienstärzte sind zusätzlich auch für die Gewaltopferambulanz zuständig, in der zum Beispiel lebende Personen untersucht werden, die Opfer einer Gewalttat geworden sind. Wir dokumentieren ihre Verletzungen sehr genau, damit bei einer späteren Gerichtsverhandlung ganz klar zu beweisen ist, was die jeweilige Gewalttat für Folgen für das Opfer hatte.
Zusätzlich geben wir Unterricht für Medizin- und JurastudentInnen oder auch PolizistInnen, kümmern uns um Forschungsprojekte und machen schriftliche Gutachten zu den verschiedensten Fällen (Fahrtüchtigkeit unter Alkohol und/oder Drogen, ärztliche Behandlungsfehler, Schuldfähigkeit bei Straftaten usw.). Was natürlich auch noch hinzukommt, sind "Auftritte" vor Gericht. Dafür dürfen wir uns dann ausnahmsweise mal schick machen und erstatten als unabhängige Sachverständige Gutachten zu sämtlichen Themen, die das Spektrum der Rechtsmedizin hergibt.
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Autorin / Autor: Susanne Hehl/ Britta Gahr - Stand: 12. September 2007