Optische Täuschungen täuschen nicht jeden
Forscher entschlüsseln Faktoren der Illusion
Ich sehe was, was du nicht siehst – dieser Aussage werden manche Menschen beim Betrachten von optischen Illusionen mehr zustimmen als andere. Wie Wissenschaftler vom University College London berichten, variiert die Wahrnehmung von optischen Täuschungen stärker als gedacht. Wie sie herausgefunden haben, hängt es vor allem von unserem Alter, dem kulturellen Umfeld und auch der Hirnanatomie ab, ob wir uns von Bildern täuschen lassen oder nicht. So gehen Kinder etwa Illusionen seltener auf den Leim als Erwachsene.
Die so genannte Ebbinghaus-Illusion zeigt zwei gleich große Kreise, die einmal von sechs großen und einmal von vielen kleinen Kreisen umringt sind. Die meisten Erwachsenen denken, dass die mittigen Kreise unterschiedlich groß sind. Wie eine im August veröffentlichte Studie zeigt, sehen Kinderaugen hingegen meist die Wahrheit: beide Kreise sind exakt gleich groß. Bei der Wahrnehmung von Bildern stellen Kinder anscheinend weniger Bezüge zwischen einzelnen Sinnesinformationen her. Sie sehen die Kreise als Einzelobjekte und nicht in ihrem Kontext zu den umliegenden Kreisen.
Der Brite Jan de Fockert stellte vor einiger Zeit fest, dass auch das kulturelle Umfeld beeinflusst, ob wir uns optisch täuschen lassen oder nicht. So ließen sich Angehörige des afrikanischen Volksstammes der Himba deutlich seltener durch die Ebbinghaus-Illusion in die Irre führen als Europäer. Der Forscher erklärte die Entdeckung damit, dass die Himba eher auf Bilddetails achten, während Europäer das Bild als Ganzes betrachten.
Aber auch die Größe bestimmter Hirnregionen spielt eine Rolle bei unserer Wahrnehmung. In einer aktuellen Untersuchung legten die WissenschaftlerInnen des University College London 30 Erwachsenen die genannte Ebbinghaus- sowie eine weitere Illusion vor. Die Illusionen wirkten bei den TeilnehmerInnen unterschiedlich stark. Manche sahen große Unterschiede zwischen den beiden Kreisen, für andere erschienen beide fast gleich groß. Als sie die Hirnregionen der TeilnehmerInnen mit einem Magnetresonanztomographen beobachteten, stellten die Forscher Zusammenhänge zwischen der Illusionswahrnehmung und der Größe des visuellen Cortex fest. Dies ist ein Teil der Großhirnrinde, der auch als Sehrinde bezeichnet wird. Der visuelle Cortex variiere bei Menschen beträchtlich: manche haben einen drei Mal größeren visuellen Cortex als andere. Die Wissenschaftler stellten fest: je kleiner die Oberfläche des visuellen Cortex, desto eher gingen die betroffenen TeilnehmerInnen den optischen Täuschungen auf den Leim.
Ob wir die Kreise gleich groß sehen oder nicht scheint also davon abzuhängen, wie viel Raum unser Gehirn für die visuelle Wahrnehmung bereithält. Jetzt wollen die ForscherInnen der Frage nachgehen, ob die Größe des visuellen Cortex genetisch festgelegt ist oder ob sich dieser durch Umwelteinflüsse beim Heranwachsen beeinflussen lässt.
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 8. Dezember 2010