Der Roman „Abends um 10“ von Kate de Goldi geht um den zwölfjährigen Frankie. Objektiv gesehen könnte man sein Leben als geordnet, idyllisch und glücklich bezeichnen – er hat einen guten Freund, Gigs, mit dem er seine allmorgendlichen Rituale zelebriert, wie zum Beispiel ein Kunstwerk aus Busfahrkarten bauen, eine Mutter, die wunderbaren Kuchen backt und ihm jeden Abend um zehn Uhr Trost spendet, einen netten Vater, eine, typisch für dieses Alter, nervige Schwester, drei dicke, herzensgute Tanten und einen etwas chaotischen Bruder. Doch Frankie quälen Sorgen, unendlich viele Sorgen. Die Sorgen um seltsame Krankheiten, leere Batterien im Feuermelder, zu wenig Geld für den Bus und zu guter Letzt die Sorge um seine Mutter, die das Haus nicht mehr verlässt.
Die Geschichte beginnt mit einem ganz besonders schlimmen Tag, an dem alles besonders schlimm läuft. Alles scheint voller Gefahren und Sorgen – und dann steigt das Mädchen Sidney mit in den Schulbus. Die beiden freunden sich an, trotz ihrer vollkommen verschiedenen Charaktere: Frankie, besorgt und still und Sidney, das ewig nachfragende Mädchen mit den aufgerissenen Augen und der verrückten Mutter. Nach und nach gelingt es ihr, Frankies Schutzmauer zu durchbrechen und er beginnt, über seine Mutter zu reden und über all das, was er nicht weiß. Die beiden stellen fest, dass sie es beide mit ihren Müttern nicht leicht zu haben scheinen – Sidneys bleibt nie länger als ein Jahr an einem Ort und die Angst, Sidney könnte einfach wieder gehen, ist plötzlich überall.
*Meine Meinung:*
Man könnte das Buch mehreren Genres zuordnen: Familienroman, Liebesgeschichte und Drama. All das zusammen ergibt ein sehr rührendes Buch, das mich zu später Stunde doch noch zum Weinen gebracht hat. Kate de Goldi erschafft liebenswerte, sehr echte Charaktere, die man sofort in sein Herz schließt, weil es richtige Originale sind, jeder mit einer eigenen Macke – allen voraus Frankie, den man manchmal am liebsten einfach nur in den Arm nehmen würde. Alles steckt voller Details – die Namen der Vögel, die Frankie so gerne zeichnet, die unendlich vielen Kuchen, die Frankies Mutter backt und die Fimolegionäre seines Freundes Gigs. Die Geschichte ist sehr liebenswert, weich und einfühlsam beschrieben, man würde sich am liebsten mit den Worten zudecken und gleichzeitig war ich beim Lesen schockiert. Es hat mich sehr daran zurückerinnern, wie groß und erdrückend die Sorgen eines Kindes werden können, aber auch daran, dass irgendwann irgendein Wendepunkt kommt, an dem viel Gutes passiert (aber den Wendepunkt dieser Geschichte, teils wunderbar, teils tragisch, verrate ich jetzt nicht). Alles in allem ein wunderschönes Buch, das ich jedem empfehlen würde, der ernste, manchmal lustige, aber vor allem liebenswerte Geschichten über etwas kauzige, genauso liebenswerte Menschen liest.
*Erschienen bei: Carlsen*
Autorin / Autor: mondkind - Stand: 31. März 2011