Alles eine Frage der Perspektive
AWO Sozialbarometer fand heraus, dass Männer Gleichberechtigung eher erfüllt sehen als Frauen
Was würdet ihr sagen, wenn ihr gefragt würdet, ob Männer und Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind? Wahrscheinlich kommt es darauf an, aus welcher Perspektive ihr schaut - aus der der Frauen, oder der der Männer. Vom männlichen Standpunkt aus betrachtet, sind die bestehenden Geschlechterungerechtigkeiten (erwartungsgemäß) nämlich geringer als aus der Sicht von Frauen, das ergab das aktuelle AWO Sozialbarometer, eine aktuelle Befragung des Sozialverbands Arbeiterwohlfahrt.
„Es gibt in der Gesellschaft ein klares Bewusstsein für das Problem von Geschlechterungerechtigkeiten“, erklärt AWO Vorstandsvorsitzender Wolfgang Stadler anlässlich der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse. Die Zahlen zeigten aber auch, dass zwischen den Geschlechtern zum Teil gravierende Unterschiede in der Wahrnehmung existieren. „Es bestehen offenbar weiterhin alte Rollenmuster in den Köpfen“, ergänzt Stadler.
So gaben 56 Prozent aller Befragten an, die Frauen in Deutschland „eher nicht" als "gleichberechtigt“ zu sehen. Aber es stellte sich heraus, dass von den Männern nur 47 Prozent diese Sichtweise teilen; über die Hälfte, nämlich 52 Prozent vertritt dagegen die Meinung, es gehe „eher gleichberechtigt“ zu in Deutschland. Fragt man die Frauen, ergibt sich eine deutlich andere Einschätzung: 65 Prozent der Frauen antworteten nämlich, dass sie sich als „eher nicht gleichberechtigt“ ansehen.
Besonders bei der Besetzung von Führungspositionen sehen 63 Prozent der Befragten große Ungleichheiten. Diese Problematik sehen auch die Männer (59 Prozent), während die Frauen mit 66 Prozent auch hier eine deutlich höhere Skepsis an den Tag legten und das eigene Geschlecht als wenig gleichgestellt erleben. „Deutlich wird, dass Themen wie eine Frauenquote in Führungspositionen nur ein kleiner Baustein auf dem Weg zur umfassenden geschlechtergerechten Politik sind. Eine moderne Gleichstellungspolitik braucht eine vernünftige Arbeits- und Sozialpolitik für Frauen“, fordert Stadler. Es reiche nicht aus, Frauen stärker in die Arbeitswelt einzubeziehen und zu hoffen, dass dies automatisch zu mehr Gleichberechtigung führe. Immerhin sehen 49 Prozent der Männer und 69 Prozent der Frauen bei Löhnen und Gehältern große Ungleichheiten.
Grund dafür sei, dass Frauen unter anderem aus Gründen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehrheitlich im Teilzeit- und Leiharbeitsbereich tätig seien, erläutert Stadler. Dazu gehörten insgesamt eher schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsverhältnisse. Zwar machen Frauen inzwischen häufiger Karriere, aber sie verdienen meist weniger als Männer. Und weil Frauen wegen der Kindererziehungszeiten und später auch Pflegezeiten von Angehörigen öfter als Männer ihre Erwerbsbiografie unterbrechen, steigen die Unterschiede beim Einkommen zwischen Frauen und Männern immer weiter. All dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Absicherung im Alter. 46 Prozent (51 Prozent der Frauen, 41 Prozent der Männer) der Bevölkerung sehen in dieser Frage große Ungleichheiten, 34 Prozent geringe Ungleichheiten. „Da Frauen insgesamt eher in schlecht bezahlten und unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig sind, können sie auch weniger für die Vorsorge leisten und später von ihrer Rente kaum leben“, unterstreicht der AWO Vorstandsvorsitzende.
Auch wenn Frauen inzwischen rechtlich weitestgehend mit Männern gleichstellt sind, sind Zeit, Macht und Geld in Deutschland zwischen den Geschlechtern weiterhin ungleich verteilt. Die AWO plädiert deshalb dafür, die allgemeinen Entlohnungsungerechtigkeiten abzuschaffen und die Kinderbetreuungssituation so zu gestalten, dass beide Elternteile zu gleichen Teilen erwerbstätig sein können. „Genauso wichtig aber wird es sein, und das zeigen die Zahlen des Sozialbarometers, einen grundlegenden Mentalitätswandel herbeizuführen. Bestehende Rollenbilder müssen konsequent hinterfragt und ausgeräumt werden“, schließt Stadler.
Das AWO-Sozialbarometer fragt regelmäßig nach sozialpolitisch relevanten Themen in Deutschland. Die Studie wurde von TNS-Infratest durchgeführt, die zwischen dem 11. und 12. August 2015 1033 Personen ab 18 Jahren in die Befragung einbezog.
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Gleichberechtigung Gleichstellung zu Hause sexistische Ansichten
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung