Durch eine Hirnhautentzündung verliert Maggie ihr Augenlicht. Sie hasst es blind zu sein, sie will weder schwach sein, noch Mitleid von anderen bekommen, sie hat keine Lust die Brailleschrift zu lernen oder wie man als Blinde alleine den richtigen Bus nimmt. Außerdem hat sie durch den Verlust des Augenlichts noch etwas anderes verloren: ihre Liebe zum Fußball! Fußball war ihr größtes Hobby, ihr absolutes Ding. Aber es war nicht nur ihr Hobby, sondern auch die Beziehung zu ihrer Mutter war durch den Fußball definiert und besiegelt. Ihre Mutter musste aufgrund eines Unfalls ihre Fußballkarriere an den Nageln hängen, Maggie war sozusagen ihre zweite Chance auf einen Profifußballer in der Familie. Da Maggies gesamter Freundeskreis ebenfalls auf Fußball basierte, steht sie nach der Hirnhautentzündung nicht nur im Dunklen, sondern vor allen Dingen verlassen da.
Maggie weiß aber natürlich, dass dies größtenteils ihre Schuld ist, denn sie hat sich nie wirklich darum bemüht alte Freundschaften aufrecht zu erhalten, aber auch an ihrer neuen Schule schafft sie es nicht soziale Kontakte zu knüpfen.
Nach einem Schulstreich wartet sie vor dem Raum ihres Lehrers Mr Sturgis darauf von ihrem Onkel abgeholt zu werden und glaubt auf einmal - ja, tatsächlich! - ihren Augen nicht. Ein etwa zehnjähriger Junge taucht im Wartebereich auf und SIE KANN IHN SEHEN! Mit Ben tritt zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder Freude in ihr Leben. Ben hat selbst eine Behinderung, von Geburt an, aber er ist die pure Lebensfreude und färbt damit auf sein gesamtes Umfeld ab, selbst Maggie kann sich dagegen nicht zur Wehr setzen und sieht sich schon bald als Bens Gast bei ihm zu Hause.
Dort stellt sich heraus, dass Bens älterer Bruder der Sänger von Maggies Lieblingsband ist. Wie soll sie Mason nur verdeutlichen, dass sie tatsächlich blind ist und wegen Ben zu ihnen zu Besuch kommt? Auch wenn sie nicht lange verleugnen kann, dass sie anfängt sich in Mason zu verlieben, aber verliert sie dadurch Ben?
Zunächst meint man in einer der üblichen Sick-Lit einer Jugendlichen gelandet zu sein, die es aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr schafft ihr Leben zu genießen, neue Hobbies zu finden, geschweige denn ihre Freundschaften am Laufen zu halten. Bis Ben in ihr Leben tritt... Dass Maggie auf einmal Ben und die Dinge in seiner unmittelbaren Umgebung sehen kann, ist ein Wunder! Auch wenn dem lebensfrohen Ben damit auf einmal Zweifel kommen, ob Maggie mit ihm wirklich befreundet sein will, oder es einfach genießt in seiner Nähe ihr Augenlicht wiedergewonnen zu haben.
Die Protagonisten in "Alles, was ich sehe" sind weiß Gott nicht alle einfach zu nehmen. Maggie, genau wie ihre Mutter, haben eine Art, dass man versteht, warum es für sie teilweise so schwierig ist Freundschaften zu knüpfen und diese auch zu halten. Mason wirkt arrogant, bis es uns die Autorin erlaubt, hinter seine harte Schale zu sehen. Nur Ben... Ben ist ein dermaßen toller Charakter, ein wunderbarer Freund, ein wertvoller Mensch, viel weiser, als er es für seine 10 Jahre sein dürfte, für einen Freund wie ihn käme man ins Grübeln freiwillig sein Augenlicht oder sein absolutes Ding aufzugeben!
Es sollte sich keiner abschrecken lassen, dass die Geschichte durch das plötzliche Sehen von Maggie irgendwie fantastisch anmutet. Warum Maggie Ben sehen kann, klärt sich gegen Ende des Buches sehr logisch auf. Ich fand in der Geschichte nichts übertrieben oder unglaubwürdig.
Ansonsten wird die Geschichte stark von ihren Protagonisten geprägt: neben Maggie entwickeln sich auch andere Personen in der Geschichte sehr stark, so dass man neben der Auflösung des mysteriösen partiellen Sehens auch einfach immer weiter und weiter miterleben will, wie sich die Personen im weiteren Verlauf der Geschichte entwickeln. Ob Maggie und ihre Mutter wieder zueinanderfinden, ob Maggies und Bens Freundschaft eine Zukunft hat und neben der aufblühenden Liebe zu Mason bestehen kann und ob Maggie sich irgendwann mit ihrem Schicksal abfindet und ein neues absolutes Ding finden will...
"Wann hast du zum letzten Mal Fußball gespielt?"
"Hm, so vor sechs Monaten vielleicht? Kurz bevor ich blind geworden bin?", sagte ich etwas kleinlaut.
"Dann ist es nicht dein absolutes Ding. Nicht mehr." (S.55)
Mein absolutes Ding ist dieses Buch: nur selten kommt man in den Genuss einer Geschichte, die es schafft einen an alle wichtigen Figuren zu binden, und einen mit ihnen leiden, weinen, aber auch lachen lässt! Definitiv eines der schönsten Debüts, die ich je in meinem Leben gelesen habe.
*Erschienen bei Königskinder*
Autorin / Autor: anette1809 - Stand: 27. Juni 2016