Amerika liegt im Osten
Autorin: Heike Eva Schmidt
Marie, genannt Motte, ist heimlich in Lukas, genannt Laser, verliebt. Nach einer Schulparty scheint sie ihrem Ziel ganz nah zu sein – Laser läd sie zum Eisessen ein. Ob wohl mehr aus dem Treffen werden kann? Motte macht sich große Hoffnungen, die Sache hat nur zwei Haken: Laser hat gerade einen tschechischen Mitschüler zusammengeschlagen, der nun der Schule verwiesen werden soll und er wird die Osterferien bei seinem Vater in den USA verbringen. Während Motte den ersten Einwand verdrängen kann steht nun für sie fest: Sie muss nach Amerika reisen. Leider kostet das Flugticket eine schöne Stange Geld – 600 Euro. Von unerwarteter Seite erhält Motte schließlich Hilfe. Ihr Urgroßvater bietet ihr 1000 Euro an, wenn Motte ihn und seine Frau nach Tschechien fährt. Dort nämlich ist die demenzkranke Frau geboren. Mottes Uropa erhofft sich von der Reise, dass die Uroma am Ort ihrer Kindheit ihr Gedächtnis zurückerlangt. So also beginnt eine Fahrt in die Vergangenheit, die gleichwohl in die Erinnerungen der alten Dame führt. Was passierte damals, als Deutschland den Krieg verlor? Warum wollen die Alten nicht aus ihrer Vergangenheit erzählen und das Geschehene ruhen lassen? Zurück in Deutschland hat sich vieles für Motte verändert. Nicht nur ihre Beziehung zu den Großeltern ist nun enger geworden, auch ihr Blick auf die täglichen Streitereien und das Imponiergehabe ist ein anderer geworden.
Heike Eva Schmidt, die Autorin des Buches, schneidet unglaublich viele Themen in ihrem Buch an. Es beginnt mit Mobbing und Zivilcourage, geht über Demenz und den Umgang mit alten Menschen hin zum zweiten Weltkrieg und der Vertreibung der Deutschen. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob alle Themen angemessen auf knapp 200 Seiten behandelt werden können. Der Autorin ist es dann aber gelungen, die verschiedenen Themen miteinander zu verknüpfen. Motto dient dabei als Verbindungsglied. Mithilfe ihrer Gedanken kann auch der Leser reflektieren, wie die verschiedenen Themen und Ereignisse zu bewerten sind.
Das Buch ist gleichzeitig bewegend und spannend. Die Autorin schafft es aber auch, die wirklich schlimmen Ereignisse (z.B. eine Vergewaltigung) so zu beschreiben, das ein jüngerer Leser mit dem Thema nicht überfordert ist. An anderen Stellen hätte ich mich allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht. Mottes Urgroßmutter wird sehr hilflos dargestellt, was sie auf Grund ihrer Demenz sicher auch ist. Sie sieht in Motte ihre kleine Schwester Annele. Leider kommt kein richtiges Gespräch zwischen der Uroma und Motte zustande, sodass die kranke Frau einen wirren und hilflosen Eindruck das ganze Buch über macht. Auch Bemerkungen wie „sie war mal eine gestandene Frau“ können nicht deutlich machen, wie sehr sich die Persönlichkeit der Dame durch die Krankheit gewandelt hat.
An einigen Stellen des Buches konnte ich mich überhaupt nicht mit der Hauptperson identifizieren, obwohl sie mir eigentlich sympathisch war. Motte ist total verblendet von ihrer Liebe zu Laser. Die Tatsache, dass Laser einen tschechischen Mitschüler zusammengeschlagen hat, redet sie sich schön, obwohl sie eigentlich weiß, dass Laser der Auslöser für die Aggressionen war. An einer anderen Stelle schläft Motte mit einem Jungen in der Turnhalle der Schule und spaziert danach seelenruhig 20 Minuten zu spät in den Unterricht. An dieser Stelle konnte ich nur den Kopf schütteln – wer macht denn sowas bitte?
Alles in allem war das Buch aber lesenswert. Die Erzählungen aus der Zeit nach dem Krieg geben Anreiz, sich weiter mit dem Thema und dem Bereich der Zivilcourage zu beschäftigen. Außerdem ließ sich das Buch flüssig lesen und die Geschichte ist spannend erzählt.
*Erschienen bei: Schwarzkopf Verlag*
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Autorin / Autor: missmarie - Stand: 2. Mai 2012