Das Mädchen Solace ist auf dem Weg nach Irland. Dort möchte sie zu zu ihrer Mutter, welche sie Mammy nennt, zurückkehren, welche ihre Tochter, so scheint es, in England gelassen hat. Solace reißt aus ihrem neuen Zuhause bei ihren Pflegeeltern in Tooting Bec aus. Diese kümmern sich eigentlich liebevoll um sie, allerdings haben sie noch anfängliche Schwierigkeiten mit ihrem ungewöhlnlichen Charakter. Solace nimmt zunächst den Bus nach Oxford, wo sie sich, weil ihr Geld bereits zu Anfang zur Neige geht, etwas zu Essen schnorrt, ein Kleid aus einer Boutique sowie ein Paar Sandalen aus einem Charity-Laden stiehlt. Mit diesem Outfit und mit ihrer Perücke, welche sie ihrer Pflegemutter entwendet hat, wird sie zur wahrhaftigen Solace. Sie fühlt sich stark und mutig. Später, am Abend, geht sie in eine Diskothek, weil der Eintritt für Frauen an diesem Abend frei ist. Auch bekommt sie Drinks geschenkt und lernt, weil sie jetzt viel reifer und älter wirkt als sie tatsächlich ist, einen Jungen kennen, der sie gleich mit nach Hause nimmt. Er hat eigentlich nur im Sinn, eine Nacht mit ihr zu verbringen, einen One-Night-Stand. Sie sucht bei ihm einen nächtlichen Schlafplatz. Doch dieser Wunsch wird ihr nicht erfüllt, weil der Junge entdeckt, dass sie eine Perücke trägt und sie so kurzerhhand vor die Tür setzt. Sie kann rechtzeitig vor einem Nachbarn fliehen.
An dieser Stelle sollte dem einen oder anderen Leser etwas komisch vorkommen: Richtig - Solace ist nicht Solace, sondern die 14 jährige, vom Leben sehr mitgenommene Holly Hogan. Diese wuchs in einem Heim auf, ist schwer erziehbar, hat ihren eigenen Dickkopf, ist eigentlich ein absoluter Antiheld, aber dennoch fand ich ihren Charakter unglaublich sympathisch. Sie möchte nach Irland, weil ihre Mutter ihr versprach, dort auf sie zu warten. Per Anhalter plant sie, zum Hafen zu reisen, um dort mit dem Schiff weiter nach Irland zu fahren. Auf dem Weg dorthin lernt sie viele unterschiedliche Menschen kennen. Jeder von ihnen hat ganz persönliche eigene Charaktereigenschaften, die sie zu sehr individuellen Figuren in dem Roman machen.
Die Autorin beweist ein unglaublich gutes Gespür für Menschenkenntnis, auch für diejenigen, die am so genannten "Abgrund" unserer Gesellschaft stehen. Denn Holly Hogan ist sicher nicht jedem, zumindest nicht auf Anhieb, sympathisch. Zugegebenrmaßen muss man sie auch näher kennenlernen, bedeutet, man muss das Buch schon ein paar Seiten lang gelesen haben, um ihr Verhalten nachvollziehen zu können. Zu Anfang z.B. empfand ich sie noch als recht nervig, als unglaublich cool und intolerant. Aber auf ihrer Reise, ich möchte das Buch fast als einen Roadmovie-Roman bezeichnen, verändert sie sich und kommt schließlich zu einem Punkt, welcher ihr gesamtes Schicksal erahnen lässt und letztlich auch aufdeckt. Meiner Meinung nach ist es ein rundum spannender und intelligent geschriebener Roman und leider der letzte von Siobhan Dowd, weil die Autorin noch verstarb, als das Buch überhaupt in Großbritannien erschien.
*Erschienen bei: Carlsen*
Autorin / Autor: merlestern - Stand: 4. März 2011