Viel zu oft werden Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes falsch eingeschätzt. Dabei lohnt es sich oftmals, hinter die Fassade zu blicken.
„Kleider machen Leute.“ Bereits im Kindesalter bekommen wir einen Eindruck davon vermittelt, was man anziehen kann und soll und was lieber nicht. Je nachdem, in welchem Land wir aufwachsen und welche Kultur unser Dasein prägt, variiert dies von Mensch zu Mensch. Was wir wahrnehmen und wie wir es wahrnehmen ist immer nur subjektiv. Trotzdem wird hierzulande in Deutschland (aber auch in anderen Ländern) Kleidern ein erstaunlich großer Wert beigemessen – zu Recht, denn die Kleider können einen Hinweis auf das Innenleben eines Menschen preisgeben. So wie man sich den Leuten nach außen hin zeigt, ist man auch – oder?
Ganz so einfach ist es nun einmal doch nicht. Denn Kopftuch ist nicht gleich streng religiös und Minirock bedeutet nicht automatisch, dass man leicht zu haben ist. Oft steckt viel mehr dahinter oder je nachdem, eben auch viel weniger. Doch kaum einer nimmt sich die Zeit, hinter diese Fassade zu blicken. Hier dominiert ganz klar das Schubladen-Denken, worauf jeder von uns in der ein oder anderen Situation gerne einmal zurück greift. Lieber nicht zu oft, denn Folge davon sind oftmals enorme Fehleinschätzungen, die einem die Möglichkeit verwehren, einen Menschen wirklich kennen zu lernen.
Dieses Phänomen ist vergleichbar mit der Situation, dass man davor steht, einen Menschen persönlich kennen zu lernen, über den man bereits viel Negatives gehört hat. Man ist durch die Gerüchteküche automatisch voreingenommen, was einem zum Verhängnis werden kann. Natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass in allem Erzählten auch ein Funke Wahrheit steckt. Vielleicht sogar zu 100% und trotzdem wird man sich nie eine unvoreingenommene Meinung über einen Menschen bilden können, wenn man sich nur auf das beschränkt, was einem vorgekaut wurde. Meiner Meinung nach sollte man jedem Menschen erst einmal "blind" gegenüber treten und versuchen, sich allein auf die inneren Werte zu fokussieren.
*Modisches Interesse = Oberflächlichkeit?*
Mich hat das Thema schon immer interessiert, was wohl auch darauf zurück zu führen ist, dass ich seit meiner Kindheit eine große Leidenschaft für Schuhe, Kleider und Taschen hege. Ich habe Freude an neuen Trends und experimentiere liebend gerne mit neuen Schnitten und Stoffen herum. Mode ist so vielseitig und wandelbar. Das hat mich schon immer fasziniert. Doch modisch interessiert zu sein wirkt auf die meisten Menschen oberflächlich und materialistisch. In der Schule galt ich als "Modepüppchen" und wurde immer auf meine Kleider reduziert. Natürlich war es auch schön, positives Feedback und Komplimente von den Menschen zu bekommen, die die Leidenschaft für Kleider mit mir teilten. Aber oftmals hatte dies auch den Effekt, dass man mir einfach nicht mehr zutraute. Denn wer sich was aus Schuhen und Taschen macht, hat oftmals nicht mehr zu bieten. So reagierten jedenfalls viele Menschen auf mich und meinen Kleidergeschmack.
*Was haben Kopftuchträgerinnen und Punker gemeinsam?*
Man wird auf das reduziert, was man trägt. Dieses Problem kennen abgesehen von Mode-Fans wie mir mit Sicherheit auch einige Punks oder Kopftuchträgerinnen, denn obwohl man zunächst annehmen würde, das bei diesen Gruppen keinerlei Gemeinsamkeiten bestehen, gibt es meiner Meinung nach sehr wohl eine Verbindung: Alle Kleidungsstile stechen hervor, weil sie "anders" sind als das, was der Großteil der Menschen als "normal" bezeichnen würde. Deswegen werden auch Punks und Kopftuchträgerinnen oftmals auf ihren Kleidungsstil reduziert.
Der Großteil der Kopftuchträgerinnen sieht es zwar als Pflicht an, das Kopftuch zu tragen, aber dennoch können die Gründe dafür stark variieren und es gibt unzählige unterschiedliche Arten, sich mit diesem Kleidungsstil auszudrücken.
Obwohl es sogar eine Art der Emanzipation darstellen kann, in der westlichen Welt ein Kopftuch zu tragen, wird es für viele Menschen hierzulande mit einer Art Unterdrückung der Frau in Verbindung gebracht und von vielen Menschen negativ als "radikal" oder "zurückgeblieben" assoziiert.
So wie oftmals ein Punk mit Irokese und zerlöcherten Jeans auf viele den Eindruck erweckt, dass er regelmäßig betrunken in U-Bahnen randalliert oder gerne Mülltonnen anzündet. Die negativen Eindrücke und Bilder, die wir mit den Kleidungsstilen verbinden überwiegen oftmals und sind alles, was uns als erster Eindruck von einer Person zurück bleibt - vorausgesetzt, der Kleidungsstil ist irgendwie "anders" und "auffällig", denn bei Jeans und T-Shirt besteht keine Gefahr, dass einem aufgrund der Kleidung ein fälschliches Bild zugeteilt wird, denn die T-Shirt-Träger sind landesweit nun einmal in der Überzahl.
*Kleider als Statussymbol*
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, den Kleidern keinen höheren Wert als anderen optischen Merkmalen beizumessen. Denn obwohl der Mensch im Gegensatz zu den von Geburt an gegebenen äußerlichen Merkmalen einen direkten Einfluss auf seinen Kleiderstil hat, ist dieser eher auf den persönlichen Geschmack eines Menschen zurück zu führen. Eine Einstufung hinsichtlich der Kleider ist also genauso irreführend, wie den Charakter eines Menschen danach einzuschätzen, ob er lieber Kaviar anstelle von Pizza isst. Es kann zwar mehr hinter dieser Vorliebe liegen, muss es aber nicht. Es ist etwas Schönes, dass es so viele verschiedene Geschmäcker auf der Welt gibt - auch in Bezug auf Mode. Man sollte sich an den vielen unterschiedlichen Eindrücken erfreuen, denn sie machen die Welt ein wenig bunter. Es wäre doch langweilig, wenn jeder das Gleiche tragen würde.
Abschließend möchte ich noch auf ein Zitat hinweisen, welches ich passend finde: „If the world was blind, how many people would you impress?“ (Wie viele Menschen würdest du beeindrucken, wenn die Welt blind wäre?) Ein Zitat, das eigentlich darauf hinweist, dass man sich vom Perfektionismus und Schönheitsdrang losreißen sollte und die Mitmenschen mit den inneren Werten überzeugen sollte. Im Umkehrschluss kann dies jedoch auch bedeuten, dass man auch im Hinblick auf das Erlangen neuer Beziehungen keinen allzu großen Wert auf das Aussehen legen sollte, sondern versuchen sollte, von vornherein etwas über die inneren Werte in Erfahrung zu bringen. Denn so unterschiedlich man sich auch kleiden mag, Ansichten und Werte können dennoch übereinstimmen. Und selbst wenn nicht: Gegensätze ziehen sich an und man kann auch über Differenzen hinweg sehen und sich manchmal dennoch gut verstehen.