Bandwurmsätze mit Populismus
Uni Hohenheim untersuchte Wahlprogramme 2025: kürzer als üblich, aber immer noch schwer verständlich
Am 23. Februar 2025 finden die vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag statt. Die Parteien hatten diesmal nicht viel Zeit, ihre Wahlprogramme zu schreiben. Einerseits gut, denn sie sind etwas kürzer ausgefallen und ein bisschen verständlicher als bei der vorherigen Wahl 2021, andererseits sind sie auch diesmal gespickt mit Bandwurmsätzen, Wortungetümen wie „Telekommunikationsnetzausbaubeschleunigungsgesetz“ (FDP) und Fachbegriffen wie „Small Modular Reactors“ (CDU/CSU), „Quick-Freeze“ (Grüne) oder „Catcalling“ (SPD). Das formal verständlichste Programm legt die CDU/CSU vor, das formal unverständlichste Programm stammt von der AfD. Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD verwenden die populistischste Sprache. Das sind die Ergebnisse der Analyse der Parteiprogramme zur Bundestagswahl, die von der Uni Hohenheim duchgeführt wurde.
Laut Studienleiter Prof. Dr. Brettschneider sind die Programme im Laufe der Zeit insgesamt länger geworden. Enthielt ein Programm bei der ersten Bundestagswahl 1949 im Schnitt nur 5.496 Wörter, haben sie jetzt durchschnittlich 25.544 Wörter pro Programm. Traditionell haben die Grünen dabei die längsten Texte, während das Bündnis Sahra Wagenknecht und die FDP die kürzesten vorgelegt haben.
Unverständliche Wahlprogramme – eine verschenkte Kommunikationschance
Prof. Dr. Brettschneider betont jedoch: „Die von uns gemessene formale Verständlichkeit ist natürlich nicht das einzige Kriterium, von dem die Güte eines Wahlprogramms abhängt. Deutlich wichtiger ist der Inhalt. Unfug wird nicht dadurch richtig, dass er formal verständlich formuliert ist. Und unverständliche Formulierungen bedeuten nicht, dass der Inhalt falsch ist. Formale Unverständlichkeit stellt aber eine Hürde für das Verständnis der Inhalte dar.“
Aber: Mit der formalen Unverständlichkeit verschenken die Parteien eine Kommunikationschance bei den Bürgerinnen und Bürgern, stellt Prof. Dr. Brettschneider fest. „Obwohl nur sehr wenige Menschen die Wahlprogramme komplett und intensiv durchlesen, sollen Wahlprogramme eigentlich dazu dienen, Wählerinnen und Wähler zu gewinnen oder zu halten.“
Aus den Programmen leiten sich außerdem andere Kommunikationsmittel ab, die für eine Wahl wichtig sind, wie Wahlplakate, Homepage und Broschüren. „Selbst wenn die Wählerinnen und Wähler nicht das gesamte Programm lesen, so schauen sich einige von ihnen doch zumindest die Passagen an, die sich auf Themen beziehen, die ihnen wichtig sind“, sagt Prof. Dr. Brettschneider.
Neben der Funktion, Wählerinnen und Wähler zu halten oder neue zu gewinnen, sind die Programme auch innerhalb der Partei von Bedeutung, betont der Kommunikationsexperte. „Während der Arbeit am Programm klären die Mitglieder innerparteiliche Positionen und bündeln verschiedene Interessen. Der Parteiführung dient das Programm nach der Wahl als Grundlage für Koalitionsverhandlungen oder für die Arbeit in der Opposition. Entgegen landläufigen Behauptungen halten sich Parteien nach den Wahlen auch häufig an ihre Programm-Aussagen.“
Fremdwörter, Satz-Monster und Populismus
Neben übertriebenem Fremdwörter- und Fachwörtergebrauch, zusammengesetzten Wörtern, Anglizismen und Schachtelsätzen ärgern sich die Hohenheimer Forschenden auch über die Zunahme populistischen Vokabulars, das sich besonders gegen eine vermeintliche elitäre Politikerklasse richtet. Die Forschenden untersuchten die Wahlprogramme mithilfe eines Sprachmodells, das sich besonders auf diese Dimension konzentriert und fanden heraus, dass 3,5 Prozent der Sätze aus den Wahlprogrammen von dem Modell als „anti-elitistisch“ (also gegen ein "Elite") klassifiziert wird. Sprachlich am populistischsten schreibt nach der Analyse 2025 das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 9,3 Prozent anti-elitistischen Sätzen, gefolgt von der AfD mit 7,1 Prozent sowie der Links-Partei mit 5,5 Prozent.
Ja älter die Parteien, desto weniger Sätze gegen politische Eliten
Die im Schnitt seit 1949 am wenigsten populistischen Wahlprogramme schreiben die Unions-Parteien (2,2 %) und die FDP (2,1 %). Das dürfte vor allem daran liegen, dass sie besonders häufig an Regierungen beteiligt waren und insofern häufig die politische Elite darstellten, die mit dem von den Forschenden gemessenen Anti-Elitismus kritisiert wird, meinen die Forschenden.
„In der Langzeitbetrachtung sind Parteien mit zunehmenden Alter eher weniger anti-elitistisch geworden. Das beste Beispiel hierfür sind die Grünen, deren Wahlprogramm 1983 einen Anteil anti-elitistischer Sätze von 8,9 Prozent aufweist. Dieser Anteil ist über die Jahre stetig gesunken und liegt heute bei 0,6 Prozent“, sagt Dr. Claudia Thoms.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 3. Februar 2025