Bitterzart

Autorin: Gabrielle Zevin
Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer

Buchcover Bitterzart

2083. New York. Papier und Wasser sind rationiert, Kaffee und Schokolade die Verkaufsschlager auf dem Schwarzmarkt. Anya, 16 Jahre, kommt allerdings ganz leicht an die Schokolade. Dank ihres Nachnamens Balanchine. Denn das Geschäft der Balanchine-Familie ist die Schokolade. Und aus dem versucht Anya ihre verbliebene Familie rauszuhalten. Denn dieses illegale Treiben hat Schuld an dem Tod ihrer Eltern, weshalb Anya jetzt das Oberhaupt der Familie ist. Dann wird es ihr noch schwerer gemacht als sowieso: sie lernt Win kennen, wird beschuldigt jemanden vergiftet zu haben und auch im Familiengeschäft liegt vieles im Argen.

Anya ist sehr reif für ihr Alter, was nicht anders zu erwarten ist durch ihre Verantwortung gegenüber ihrer Familie. Zwar ist ihr Bruder Leo der Älteste, doch er ist aufgrund eines Unfalls psychisch recht angeschlagen und auch die Großmutter, die das Sorgerecht hält, ist schon seit langer Zeit krank und bettlägerig. So kümmert sich Anya ums Essen, achtet darauf, dass die kleine Schwester auch in die Schule geht und hat immer ein Auge auf ihren Bruder. Nebenbei versucht sie selbst ein eigenes Leben zu bewältigen mit nervigen Exfreunden und Schulstress. Aus ihrer Sicht wird die Geschichte auch erzählt. Sie spricht den Leser direkt an und lässt nur wenige Dinge unkommentiert. Dieser Erzählerstil verspricht zwar eine besondere Nähe zu der Protagonistin aufzubauen, doch das ist in „Bitterzart“ gescheitert. Ich konnte mit Anya nicht wirklich mitleiden. Zwar habe ich mich für ihre Geschichte interessiert, aber seelisch hat es mich nicht so berührt, wie ich gehofft hatte.

So erging es mir auch mit vielen anderen Charakteren. Sie sind oberflächlich geblieben. Nur Anyas beste Freundin Scarlet und Mafiosi Yuji haben bei mir einen guten Eindruck hinterlassen und ich hoffe, dass sie auch im 2. Band „Edelherb“ mit von der Partie sind.

Leider geht die Oberflächlichkeit weiter. „Eine Lovestory wie Romeo und Julia“ hieß das Versprechen. Meine Interpretation davon: Drama, tiefe Gefühle, Leidenschaft. Je mehr die Geschichte fortschritt, desto mehr verpufft die Hoffnung auf eine tolle Liebesgeschichte.
Drama? Ja, aber nicht in dem Sinne. Aus jeder Mücke wurde ein Elefant gemacht, die die junge Liebe bedrohte. Damit hätte Grabielle Zevin zumindest noch etwas mehr Spannung reinbringen können, doch der Problemelefant wurde immer viel zu schnell gelöst.

Tiefe Gefühle? Viele Gefühle, haufenweise! Doch das tief vermisst man. Leidenschaft? Win legt die mit seiner Vernarrtheit in Anya an den Tag. Anya hat mehr Leidenschaft in sich, wenn es um ihre Familie geht als um Win.

Obwohl die Geschichte so viel Potenzial hatte mit der Mafia, der Schokolade, der Liebe und Freundschaft, hat die Autorin es nicht geschafft, daraus ein unvergessliches Buch zu machen. Die Zutaten waren da, aber Gabrielle Zevin konnte sich nicht recht entscheiden von was sie wie viel in den Geschichtstopf schmeißen möchte. „Bitterzart“ fehlt es an einem roten Faden, an einem Höhepunkt auf den das komplette Buch, jede einzelne Szene, hinarbeitet. Es gibt von jedem etwas ohne dass sich etwas Größeres – ein Showdown, eine neue Bedrohung - heraus kristallisiert.

Deshalb gibt es auch die ein oder andere Szene, die ich selbst raus gestrichen hätte, weil sie zu nichts diente: die Handlung wird nicht voran getrieben, die Charaktere werden nicht vertief. Die Spannungsbögen bleiben dadurch insgesamt recht niedrig.

Auch wenn ich bis jetzt kein gutes Haar an dem Buch gelassen habe, war es kein Reinfall. Das liegt vor allem an der Grundidee rund um die Mafia und den Familienzusammenhalt, die mich begeistern konnten. Ich hoffe sehr, dass sich im zweiten Band „Edelherb“ die Geschichte vertieft und sich ein Hauptstrang bildet. Jeder, der mal wieder von etwas Neuem lesen will und keine zu hohen Ansprüche hat, kann mit „Bitterzart“ ein paar Lesestunden verbringen.

*Erschienen bei: FJB*

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Autorin / Autor: livvy - Stand: 23. Mai 2013