Blitz ohne Donner
Autor: Christa Ludwig
Die Geschichte von Johannes und Maria könnte eine typische Liebesgeschichte sein: Ein paar Wochen vor den Sommerferien zieht Marias Familie in das Haus neben Johannes Familie ein. Als Johannes beim Spielen mit seinem Hund das Stöckchen versehentlich über die Hecke in Marias Garten wirft, treffen sich die beiden zum ersten Mal. Sie sind sich gleich sympathisch und sehen sich von nun an häufiger. Alles könnte perfekt sein, doch es gibt eine Sache, die die beiden auf unüberwindbare Weise zu trennen scheint: Johannes ist gehörlos. Er hat gelernt von den Lippen zu lesen und selbst zu sprechen, sodass er sich auch mit Hörenden unterhalten kann. Doch um Marias Welt kennen zu lernen reicht das nicht: Sie kommt aus einer Musiker-Familie, ihr Vater ist Konzertpianist, ihre Mutter professionelle Sängerin. Auch Maria selbst empfindet die Musik als Teil ihrer selbst, sie spielt Harfe und kennt die Klassiker wie andere Jugendliche die aktuellen Charts. Nur zu gerne möchte sie Johannes ihre Welt zeigen, all die schönen Klänge und Melodien, die ihm verborgen bleiben. Mithilfe von Johannes Mutter Sophia entwickelt sie deshalb einen Plan, Johannes doch noch zu zeigen, was Musik bedeutet.
Als ich das Cover des Buchs zum ersten Mal gesehen habe, hat es mich sofort angesprochen: Es zeigt ein Pärchen, das sich umarmt; ihr Gesicht ist zu sehen, seines nicht. Das Foto ist geprägt von Leichtigkeit und Glück. Auch der Titel „Blitz ohne Donner“ macht neugierig auf den Inhalt. Er beschreibt wunderbar einen elementaren Unterschied zwischen den beiden Welten, in denen Maria und Johannes leben: Während für Maria als Hörende der Donner die prägende Empfindung bei einem Gewitter ist, besteht ein Gewitter für Johannes lediglich aus Blitzen, die den Himmel hell erleuchten wie Sterne. Das ist auch das Hauptthema des Romans. Es geht nicht um die Probleme, die Johannes durch die Gehörlosigkeit hat. Stattdessen geht es um ein junges Paar, das alles daran setzt, die Welt des jeweils anderen kennen zu lernen. Dabei hilft ihnen Johannes Familie, die Maria in Rückblenden erzählt, wie Johannes im Alter von einem Jahr sein Gehör verlor und wie dieses Ereignis das Leben der Familie beeinflusste.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Die Welt der Gehörlosen fasziniert mich, und mir gefällt wie authentisch sie hier dargestellt wird. Trotzdem liegt der Fokus nicht auf Johannes‘ Einschränkung. Vielmehr ist es eine, teilweise fast kitschige, Liebesgeschichte, die viele Themen behandelt: Es geht um junge Liebe, um Musik, um Vertrauen und Eifersucht. Da das Buch nur knapp 180 Seiten umfasst, sind einige Passagen weniger ausführlich. Oft bleibt die Gefühlswelt der Figuren dem Leser verschlossen, es werden nur sehr oberflächliche Aussagen getroffen, wie zum Beispiel: „Das machte ihn traurig“. Dadurch schöpft das Buch sein Potential, den Leser zu berühren und mitzureißen, nicht komplett aus. Trotzdem ist das Buch angenehm zu lesen, durchzogen von einer Leichtigkeit, die den Leser unterhält, ohne besondere Ansprüche zu stellen.
*Erschienen beim Verlag Freies Geistesleben*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 23. Juli 2014