Clara Bow - Not now

Die Band besteht gewollt nur aus Frauen und hat somit wenig Testosteron - könnte man meinen -
aber sie haben allesamt rauchig tiefe Stimmen und wollen die männerdominierte stilistische Musikrichtung revolutionieren, sagt luisa1995.

Albumcover Not now

Clara Bows CD habe ich schon seit meiner ersten Rezension im Auge. Immer wieder sehe ich CDs kommen und schnell gehen- aber „Not Now“ bleibt. Wie als würde sie ihrem Titel gerecht werden wollen. 20er Jahre, Punk, Frauen. Hört sich alt und gut und unkonventionell an. Ich gucke auf youtube -  keine Treffer. Beziehungsweise nur verwirrende.  Bis auf die Namensgeberin - das It-Girl Clara Bow. Ich beschließe schließlich, sie endlich zu rezensieren.

Als das Päckchen ankommt, bin ich sehr angetan von dem Cover. Ein Indie-Dreieck, lauter hübsche Augen, versetzte Platzierung der Titel auf der Rückseite, Songtexte im Inlay nebst der wirklich schön fotografierten Sängerinnen. Ich bin ein bisschen Ästhetin, dafür gibt es sichere Pluspunkte, trotzdem möchte ich nun wirklich hören, was sich hinter der in Wikipedia als Punk-Rock-Indie-New Wave orientiert beschriebenen Hamburger Band für Stimmen verbergen.

Vorab: für mich persönlich ist „Not Now“ eine Platte, auf die man sich einlassen muss, die man auch mal mehrfach hören sollte, ehe man sich sein Urteil bildet. Wobei Platte noch zu viel gesagt ist, erst wenn 80 Prozent der produzierten CDs einen Käufer gefunden haben, wird das Album auf Vinyl produziert und ist auch für den Plattenspieler abspielbar… was vom Flair her schon weit besser passt als die CD!

Zu den Liedern: die zweite Hälfte des Albums finde ich wesentlich einnehmender als die ersten in orangener Farbe geschriebenen Titel. Ausdrucksvoll aber sind alle Songs! Schon allein die Tatsache, dass keiner viel länger als 2 bis 3 Minuten dauert und die Lyrics
wie Poetry-Slam Texte konstruiert scheinen, hinterlässt Wirkung. Die Sängerinnen hören sich immer etwas erkältet an, oder so als hätten sie die Nacht im Club verbracht und danach auf ihrem Lieblingskonzert rumgeschrien.

Die Band besteht gewollt nur aus Frauen und hat somit wenig Testosteron - könnte man meinen -
aber sie haben allesamt rauchig tiefe Stimmen und wollen die männerdominierte stilistische Musikrichtung revolutionieren. „Punk Barbies“ nimmt den Widerspruch aus Männermangel und Männerdominanz ironisch auf die Schippe, in nur vier Songtextzeilen. Eins der besten Lieder und allmählich der Start der greifbareren Songs.

Was ich wirklich an dem ganzen Album liebe sind die Songtexte. Immer etwas kritisch, etwas poetisch, oder aber kurz, kompakt und relativ flach gehalten, aber immer hart und herzlich. Hauptsache nicht kitschig und möglichst mit einem Augenzwinkern emanzipiert. Wie bei „Paul Rulz“ singen sie: „fuck the rules how to behave“… und so trotzig trällern sie auch sonst daher. Am meisten kann ich mich mit dem von „Restart“ identifizieren. Obwohl die Lyrics sehr fantasievoll unterschiedlichste Szenarien beschreiben, ist „Time Traveller“ der geistreichste, „Gis“ wiederum der Verrückteste - das Lied vielleicht, was am lockersten Freude macht.

„Mail Box“ denke ich hat die catchigsten Melodien. Der letzte Song „You won’t bring it back“ ist auf der CD das, was man bei einem Film kein Happy End nennen würde: Er endet mit: „You fucked it up, you made me cry“. Die Musik ist kraftvoll, dramatisch und ich assoziiere irgendwie auch wirklich ein Ende, einen Abschied damit. Und mit meiner Verabschiedung kann ich bestätigen, was das Rolling Stone Magazine hochlobend über Clara Bow in der Presse verkündete: „(...) macht von vorne bis hinten Spaß!“ Auch wenn nicht jeder Song von vorne bis hinten mein Ohr und Herz erwärmt, so ist eins definitiv da: der Spaß der Band, Musik zu machen, und der Spaß beim Zuhören ihrer Lieder. Zum Ausprobieren und Musikhorizont erweitern ! : )

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Autorin / Autor: luisa1995 - Stand: 30. Oktober 2012