Das hier ist kein Tagebuch
Autorin: Erna Sassen
übersetzt von Rolf Erdorf
ab 14 Jahren
„Das hier ist kein Tagebuch“ ist das erste Jugendbuch der Autorin Erna Sassen. Im Jahre 2004 hat sie bereits ein Kinderbuch veröffentlicht. Ursprünglich wollte sie Tropenärztin werden, später Schauspielerin. Deshalb besuchte sie die Theaterschool in Amsterdam und trat in verschiedenen Musicals und Theaterstücken auf. Mittlerweile möchte Sassen jedoch nur noch als Schriftstellerin tätig sein. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Haarlem in den Niederlanden.
Bous Mutter ist tot. Endlich. An einem Tag, an dem sie von der Unterbringung in der geschlossenen Anstalt beurlaubt war, hat sie sich vor den Zug geworfen. Mit dem Leben seiner Mutter enden auch alle Probleme, die ihre bipolare Störung der Familie verursacht haben. Zurück bleiben der sechzehnjährige Bou, seine siebenjährige Schwester Fussel und ihr Vater. Seine gesamte Familie trauert, nur Bou nicht. Bou ist wütend auf seine Mutter, dieses Miststück, das ihm seine Kindheit geraubt hat und das Erwachsenwerden so schwer gemacht hat. Bou zieht sich zurück, verfällt selbst in einen depressiven Zustand, hat kaum genug Energie das Haus zu verlassen oder soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Lethargie und Müdigkeit sind die einzigen Gefühle, die er noch wahrnimmt. Bis sein Vater entscheidet, dass es nun endgültig reicht: Entweder Bou führt von nun an ein Tagebuch, in dem er täglich seine Gedanken und Gefühle festhält, um sie irgendwann zu verstehen und zu verarbeiten, oder Bou muss sich in psychologische Behandlung begeben. Also fängt Bou an zu schreiben. Dabei ist es Bou jedoch wichtig, dass es sich eben nicht um ein Tagebuch handelt (deswegen der Titel), sondern lediglich um eine Aufzeichnung – denn Tagebücher sind seiner Meinung eher etwas für Mädchen und Weicheier.
Im gesamten Buch steht die Gefühlswelt des Protagonisten im Vordergrund. Dadurch hat man den Eindruck, dass kaum etwas passiert. Außerdem springt Bou bei der Wiedergabe der Ereignisse teilweise hin und her, was es schwierig macht, zu folgen. Abgesehen von diesen zwei Aspekten hat mir das Buch jedoch sehr gut gefallen. Es ist mit einem trockenen Humor geschrieben, den ich ansprechend finde: „Wer keine Mutter hat, braucht auch keine Angst zu haben, sie auf dem Dachboden an einem Balken hängend vorzufinden, wenn er aus der Schule kommt. Jeder Nachteil hat auch einen Vorteil.“ (S. 60). Es steht vor allem Bous spezielle Art, mit dem Tod seiner Mutter umzugehen, im Vordergrund. Das mag zunächst befremdlich wirken, doch mir gefällt, dass in diesem Roman deutlich wird, dass Trauer kein uniformes Gefühl ist, sondern auf ganz unterschiedliche Weisen empfunden werden kann. Bou findet ganz eigene Wege, seine Gefühle dem Leser gegenüber auszudrücken und verständlich zu machen: „Verrückterweise ist in einem Kinderzimmer das Leben ein Stück erträglicher als außerhalb.“ Damit kann ich mich identifizieren, denn Bou sagt einfach, was er fühlt – ohne es in eine Kategorie einzuordnen oder zu erklären.
Da es keinen Handlungsstrang gibt, der sich von Anfang bis Ende entwickelt und verfolgen lässt, kommt das Ende des Buches relativ abrupt. Zumindest für mich war es so. Man blättert eine Seite weiter und auf einmal endet das Buch – mitten im Erzählfluss, hatte ich zumindest den Eindruck. Das hat mir nicht so gut gefallen, aber vielleicht war das auch nur meine persönliche Wahrnehmung.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, da es Themen wie Suizid, Trauer und den Verlust eines geliebten Menschen auf eine ganz neue Weise bearbeitet. Ich kann es mit keinem Buch vergleichen, das ich zuvor gelesen habe und das macht „Das hier ist kein Tagebuch“ für mich zu einem ganz besonderen Buch.
*Erschienen bei Verlag Freies Geistesleben*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 27. Juli 2015