Das ist genau mein Ding!“ ist ein Buch über Leidenschaften. In 25 Interviews und Selbstportraits erzählen Menschen zwischen 14 und 44, was ihnen wichtig ist und womit sie sich beschäftigen. Das ist eigentlich auch schon die einzige allgemeine Aussage, die man über das Buch treffen kann. Denn die Geschichten, die darin gesammelt sind, könnten nicht unterschiedlicher sein.
Das Buch handelt davon, wie Jakob mit vier Jahren durch ein einfaches Paar Stollenfußballschuhe zum Spielen gekommen ist und 10 Jahre später in einer Jugendmannschaft bei Schalke 04 spielt, wie Fee ihre Liebe zum Poetry Slam entdeckte und wie es für Laura war, mit 14 Jahren um die Welt zu segeln. Es handelt von Glück, Zufall und Erfolg, vom Kämpfen und Durchhalten - aber auch vom Scheitern und Aufgeben.
Das besondere an diesem Buch ist seine Vielseitigkeit. Zunächst ist eine Sammlung unterschiedlicher Lebensläufe. Es erzählt von Menschen, die es immer leicht hatten, ihrer Leidenschaft zu folgen- wie Oskar, der mit neun Jahren dem Leipziger Thomanerchor beigetreten ist oder Lasse, der in einem Sportinternat sein ganzes Leben dem Triathlon widmet. Es erzählt aber auch von Menschen, die lange auf der Suche nach etwas waren, was ihnen richtig gut gefiel; und von welchen, die trotz herausragender Leistungen in ihrer Disziplin ihre Leidenschaft aufgaben, wie Leanne, die vier Jahre lang bei den kanadischen Olympia- Qualifikationsmeisterschaften antrat und jetzt als Autorin arbeitet. Einige Lebensläufe sind auch tragisch, wie der des Hip-Hoppers Yahye: Er ist aus Somalia geflüchtet und wohnt inzwischen in Frankfurt am Main, kämpft aber seit Jahren um ein dauerhaftes Bleiberecht.
Ganz nebenbei erhält man als Leser jedoch auch Sachinformationen, denn die Geschichten über Leidenschaften bringen einen in Berührung mit Welten und Begriffen, die man nicht kennt. Man erfährt, was ein Groundhopper und was ein Cosplayer ist; und die biologische Ursache für Höhenschwindel wird ebenso umrissen wie das deutsche Migrationsrecht.
Wenn man will, kann man „Das ist genau mein Ding!“ auch als politisches Manifest lesen: Der 19-jährige Elias zum Beispiel spricht sich in einem Interview gegen Ausbeutung und für eine bessere Welt aus. Anderen geht es eher um Umwelt- und Tierschutz, wie Jana, die einen privaten Gnadenhof betreibt. Vor allem aber erfährt man, dass seine Leidenschaft zu leben manchmal heißt, gegen den Strom der Gesellschaft zu schwimmen; Aussteiger zu sein. Conni arbeitet als digitale Normadin; Gerrit verzichtet auf Erfolg im Job, um genug Zeit für andere Dinge zu haben; und Ben, der eigentlich eine ehrgeizige Laufbahn als Anwalt angestrebt hatte, brach irgendwann sein Studium ab und erfand seinen eigenen Beruf: Education-Hacker.
Nicht zuletzt verbirgt sich in dem Buch ein Ratgeber. Auf zwei Ebenen: Im Vorwort richten die Herausgeberinnen die Frage „Wie willst du Leben?“ direkt an den Leser. So scheint es, dass dieses Buch genau so verstanden werden will: Als Hilfe, herauszufinden, was man wirklich will; als Ermutigung und Inspiration. Darüber hinaus hat mir aber besonders gut gefallen, dass das Buch Anknüpfungspunkte für eigene Recherchen bietet. Unter vielen Portraits stehen zum Beispiel Internetadressen. Wenn man sich also für einen Lebenslauf besonders interessiert, kann man so noch mehr über das Themengebiet erfahren und vielleicht sogar ganz konkrete Ideen für das eigene Leben entwickeln.
Zu jedem der Interviews und Selbstportraits gibt es Fotos, die in grün- weiß gehalten und teilweise stark verpixelt sind. Zwar wünscht man sich manchmal, einige Dinge etwas genauer sehen zu können; doch lässt diese Darstellungsweise Raum für eigene Vorstellungen und hebt den Inhalt, nicht die Äußerlichkeiten hervor.
„Das ist genau mein Ding!“ ist keine hohe Literatur. Jedes Portrait ist in einem anderen Schreibstil verfasst: Mal sachlich, mal umgangssprachlich, mal poetisch. Manchmal muss man sich beim Lesen auch durch umständliche Schachtelsätze kämpfen, nicht alle Formulierungen sind glatt und logisch einwandfrei. Aber ich finde nicht, dass das der Wirkung des Buches einen großen Abbruch tut. Gerade dadurch wirkt es authentisch: Man spürt, dass jeder der Portraitierten eine andere Art hat, sich auszudrücken und seine Leidenschaft zu kommunizieren; und dass der Verlag diese Unterschiede nicht einfach wegredigiert hat.
Zusammengefasst kann ich also jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen. Egal ob man gerade selbst auf der Suche ist oder eigentlich zufrieden mit seinem Weg, dieses Buch inspiriert, ermutigt und weckt Sehnsüchte. Und es erinnert daran, was im Leben wirklich wichtig ist: Das zu leben, wofür man sterben würde.
*Erschienen bei: Beltz & Gelberg*
Autorin / Autor: Ina - Stand: 17. November 2014