Das Schloss in den Wolken
Autorin: Lucy Maud Montgomery
übersetzt von Nadine Püschel
ab 14 Jahren
Lucy Maud Montgomery ist eine der bedeutendsten kanadischen Autorinnen, sie lebte von 1874 bis 1942. Bekanntheit erlangte sie vor allem für ihre Romanreihe über das rothaarige, eigensinnige Waisenmädchen „Anne“, die weltweit erfolgreich war. Montgomerys Erzählungen drehen sich meist um starke, weibliche Protagonisten, die sich nicht länger den üblichen Konventionen ihrer Zeit unterwerfen wollen, und stattdessen nach Freiheit, Bildung und Anerkennung streben.
So auch im vorliegenden Roman „Das Schloss in den Wolken“: Ursprünglich erschienen in 1926, ist der Roman seit April 2015 als deutsche Erstveröffentlichung beim Königskinder-Verlag erhältlich. Er erzählt die Geschichte von Valancy Stirling: 29 Jahre alt, ledig und den Hänseleien ihrer Familie mehr als überdrüssig. Schon immer stand sie im Schatten der schönen Olive, dem Vorzeigekind der Familie Stirling. Doch Valancy war nie so hübsch wie Olive, hatte nie so viele Freunde wie Olive und auch nie so hübsche Kleider wie Olive. Natürlich ist es auch Olive, die als erste heiraten wird. Valancy wünscht sich nichts Sehnlicher als einen Ausweg aus ihrem tristen Dasein. Als sie eines Tages mit gesundheitlichen Beschwerden zum Arzt geht und der ihr eine fatale Diagnose stellt, scheint sich Valancys Wunsch erfüllt zu haben. Sie krempelt ihr Leben komplett um, wirft alle Konventionen über Bord und verlässt ihre Familie. Damit löst sie natürlich einen Skandal aus und bricht alle Brücken hinter sich ab – doch sie entscheidet sich für ein neues Leben, in dem sie endlich so etwas wie Glück und Freiheit erfahren kann.
Das Buch „Das Schloss in den Wolken“ hat zwei ganz unterschiedliche Seiten: Einerseits hat es deutliche Züge eines Bildungsromans. Der Leser beobachtet die Protagonistin Valancy bei ihrer erstaunlichen Entwicklung, durch die sie vom Mauerblümchen zur strahlenden Persönlichkeit wird. Sie entwickelt ein ganz neues Selbstbewusstsein und beginnt, eigene Ideen und Wünsche gegenüber ihrer Umwelt zu vertreten. Diese Elemente prägen vor allem die ersten zwei Drittel des Buches. Andererseits kommen im letzten Drittel auch verstärkt romantische Züge auf. Natürlich geht es um eine Liebe, die bedingungslos ist und sich über alle gesellschaftlichen und moralischen Grenzen hinweg bewegt. Teilweise erinnert Valancys Geschichte deshalb an die von Butterblume in „Die Brautprinzessin“. Diese Kombination aus Bildungsroman und Liebesgeschichte gibt dem Roman zugleich Tiefe und Anspruch.
Zu Beginn des Buches hatte ich Schwierigkeiten, mich in die Erzählung einzufinden. Valancys Lebenswelt erscheint aus heutiger Sicht fremd und ungewöhnlich, ihre Gedanken und Wünsche ebenfalls. Sobald man es jedoch schafft, über die historischen Unterschiede hinwegzusehen – oder sie zu genießen – ist der Roman äußerst fesselnd. Sowohl Valancys Adoleszenz als auch ihre Emotionen werden sprachlich wunderschön ausgedrückt. An dieser Stelle ein Kompliment an die Übersetzerin Nadine Püschel. Man stößt auf Sätze wie „Das ist alle Freiheit, die wir uns erhoffen können; die Freiheit, uns unseren Kerker selbst auszusuchen.“ oder auch „ Wir werden Hand in Hand bis ans Ende der Welt wandern.“. Solche Sätze bleiben mir persönlich im Gedächtnis und bereiten mir Lesevergnügen.
*Erschienen bei Königskinder*
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 26. Mai 2015