Das Sozialmäntelchen der Discounter
Aktuelle Untersuchung der Kampagne für Saubere Kleidung deckt erneut skandalöse Arbeitsrechtsverletzungen bei Zulieferern der Discounter Aldi, Lidl und KiK in Bangladesch auf
Ein billiges T-Shirt hier, ein Paar unschlagbar günstige Schuhe dort - Discounter machen´s möglich. Doch immer mehr Menschen schauen hinter die Kulissen und wollen wissen, wie und wo die Sachen produziert wurden und vor allem: unter welchen Arbeitsbedingungen. Seit nunmehr fünf Jahren konfrontiert die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, kurz: CCC) die Discounter Aldi, Lidl und KiK mit massiven Arbeitsrechtsverletzungen in der Textilproduktion in ihren Zulieferfabriken in Bangladesch, China, Indien und anderen Billiglohnländern: unakzeptable Löhne, Gewerkschaftsverbote, Übergriffe und Missbräuche von Frauen - um nur einige zu nennen.
Als Reaktion auf die Kritik führten Lidl und KiK Trainings zu Sozialstandards bei ihren Produzenten in Bangladesch und China durch. Doch haben diese Trainings tatsächlich etwas verändert? Die Kampagne für Saubere Kleidung wollte es genauer wissen und gab Ende 2011 eine Recherche in Auftrag. Ein Team untersuchte die Arbeitsbedingungen bei zehn Zulieferbetrieben von Aldi, Lidl und KiK im Billiglohnland Bangladesch und befragte dafür insgesamt 162 ArbeiterInnen. Ihre Recherche kam offenbar zu einem ernüchternden Ergebnis: Menschenunwürdige Arbeitsrechtsverletzungen gehören auch weiterhin zum Arbeitsalltag der NäherInnen, so die Bilanz des Netzwerks. Die Mehrheit der ArbeiterInnen besitze keinen Arbeitsvertrag, Überstunden seien aufgrund der hohen Produktions-Solls obligatorisch und würden nicht korrekt bezahlt. Auch sei es nach wie vor schwierig bis unmöglich für die ArbeiterInnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren und für Frauen gehörten verbale Drohungen bis hin zur sexuellen Misshandlung auch weiterhin zum Alltag in den Fabriken.
„Das Sündenregister der Discounter ist skandalös. Die von ihnen eingeleiteten Schritte führen nicht zu einer wirklichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen der NäherInnen, Aldi, Lidl und KiK hängen sich ein „Sozialmäntelchen um“, kritisiert Sandra Dusch Silva, Referentin der Christlichen Initiative Romero, Trägerorganisation der CCC. Auch der Lidl-Markencheck der ARD, der am 9. Januar 2012 gesendet wurde, stellte Diskrepanzen zwischen Lidls Außendarstellung und den eigentlichen Unternehmenspraktiken fest. „Aldi hat sich bisher noch nicht bewegt, die Arbeitsrechtsverletzungen zu beenden“, so Dusch Silva weiter.
Für die CCC-MitarbeiterInnen war es oft nicht einfach, an die Informationen zu kommen: Wie sie berichten, wurde den ArbeiterInnen mit Arbeitsplatzverlust und Misshandlung gedroht, sollten sie Informationen über die Arbeitsbedingungen in den Fabriken preisgeben. In einer bangladesischen Zuliefererfabrik von Aldi hätte die Untersuchung daher zum Schutz der ArbeiterInnen sogar abgebrochen werden müssen. „Aldi, Lidl und KiK kommen ihrer vom UN-Menschenrechtsrat im Juni 2011 geforderten Sorgfaltspflicht in ihrer Lieferkette nicht nach“, klagt Gisela Burckhardt, Vorstand FEMNET, Trägerorganisation der CCC. Es wird von den Unternehmen erwartet, Vorsorge zu treffen, um sicher zu stellen, dass ihre Lieferanten die Gesetze einhalten. Ein Unternehmen sollte regelmäßig und substantiell berichten, welche Schritte es unternommen hat, um Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen bei seinen Lieferanten zu verhindern. „Auch die Bundesregierung muss ihrer staatlichen Schutzpflicht endlich nachkommen und Unternehmen verpflichten, regelmäßig Informationen offen zu legen“, fordert Gisela Burckhardt.
*Über die CCC*
Die »Kampagne für Saubere Kleidung« (Clean Clothes Campaign = CCC) entstand 1990 in den Niederlanden und ist heute in 12 europäischen Ländern aktiv. Die CCC besteht aus einem Netzwerk von mehr als 300 Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen – Frauen- und Verbraucherorganisationen, Solidaritäts- und Kirchengruppen, Weltläden und Forschungsinstituten, die mit Partnerorganisationen in Entwicklungs- und Transformationsländern eng zusammenarbeiten. Um die Arbeitsbedingungen der überwiegend weiblichen Beschäftigten der Bekleidungs- und Sportswearindustrie weltweit zu verbessern, informiert die CCC die VerbraucherInnen, übt Einfluss auf Unternehmen aus, unterstützt Arbeitnehmerorganisationen in Konfliktfällen und führt Kampagnen an die Adresse der Politik durch.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 11. Januar 2011