Dein Hamburger frisst den Regenwald
Interview mit Julia Dieckmann vom Projekt WELTbewusst
Wenn ihr an euch herunterschaut, was seht ihr? Turnschuhe, Jeans und T-Shirt, einen Kaffee in der einen Hand einen Schokoriegel in der anderen? Habt ihr euch schon einmal überlegt, woher die ganzen Sachen stammen und wie sie hergestellt wurden? Welche Weltreise eure Jeans schon hinter sich hat, oder welches Kind wohl den Kakao für die Schokolade geerntet hat, ohne jemals selbst Schokolade gegessen zu haben? Konsum & Globalisierung, diese zwei Begriffe gehören heute in unserer Welt zusammen. Das Projekt WELTbewusst, das wir euch nun vorstellen, verbindet genau diese beiden Themen.
*Die Idee hinter dem Projekt*
WELTbewusst ist ein Gemeinschaftsprojekt von Weltladen-Dachverband und BUNDjugend, also eine Verbindung von Fairem Handel und Umweltschutz und ist eine Erweiterung zu den konsumkritischen Stadtrundgägen, die es schon seit einigen Jahren in Deutschland gibt. Die Stadtrundgänge zu Globalisierung und nachhaltigem Konsum wurden von jungen Erwachsenen entwickelt und werden in über 25 deutschen Städten angeboten. Bei einer Tour durch die Innenstadt erfährst du, wo die ganzen Dinge, die wir tagtäglich konsumieren – vom Burger über das Handy hin zur Kosmetik – eigentlich herkommen, und welche globalen Verstrickungen damit zusammenhängen. Es geht darum, die ökologischen und sozialen Auswirkungen unseres Konsums in anderen Regionen der Welt anhand von einigen Produkten zu beleuchten und dabei immer zu schauen, was wir von hier aus positiv beeinflussen können. WELTbewusst bietet nun zusätzlich Workshops mit vielen Methoden und Tipps an, organisiert eine Sommerkonferenz und vernetzt die Gruppen der verschiedenen Städte somit untereinander. Neu dabei ist auch, dass ein Projekttag in Schulen angeboten wird, der sich genau mit unseren eigenen Handlungsmöglichkeiten beschäftigt. Die SchülerInnen planen selber eine Aktion und erleben, wie sie selber etwas verändern können.
LizzyNet hat Julia Dieckmann, die Teil des Projektteams von WELTbewusst ist, zum Projekt interviewt:
*Welche Altersgruppen sprechen Sie mit Ihrem Projekt an?*
Es sind meist junge Leute, die die Stadtrundgänge durchführen, also Anfang zwanzig-Jährige und auch einige jung-Gebliebene! Meist sind es FÖJlerInnen (Freiwilliges Ökologisches Jahr), Studierende oder auch Berufstätige, die die Rundgänge für Schulklassen ab der 9. Klasse anbieten. Da führen dann Leute den Rundgang mit dir durch, die sind noch gar nicht so viel älter und können die Themen über ihre eigenen Erfahrungen und auch Schwierigkeiten im alltäglichen Konsumverhalten sehr viel eindrücklicher und lebensnaher beschreiben.
Carrotmob
Ein Carrotmob belohnt Unternehmen, die bereit sind, ihren Energiehaushalt zu verbessern. Unternehmen geben Gebote ab, welchen Anteil des Tagesumsates sie in Öko-Maßnahmen investieren werden. In dem Laden, der am meisten bietet, findet der Carrotmob statt. Die Öffentlichkeit wird dazu aufgerufen an Tag X in diesem Laden einzukaufen, wodurch dieser seinen Umsatz und seine Bekanntheit steigert.
Wie sind die Reaktionen der Schüler bei den Stadtrundgängen oder Projekttagen, wenn sie erfahren woher ihre Produkte stammen und wie sie hergestellt werden?
Das ist in den Gruppen sehr unterschiedlich: es gibt SchülerInnen, die haben davon wirklich noch nichts gehört, aber es gibt auch viele, die wissen schon sehr gut bescheid. Denen ist sofort klar, dass die Näherin, die unser T-Shirt zusammengenäht hat oder der Kaffeeproduzent im herkömmlichen Handel nicht viel dabei verdient und zum Teil nicht mal davon leben kann. Aber es ist ja noch ein weiterer Schritt, um dann mit diesem Wissen auch wirklich etwas umzusetzen. Der Stadtrundgang ist dabei so etwas wie ein Motivationsschub. Da bekommst du dann mit, was die anderen so machen, hörst von Kleiderkreiseln oder Tauschpartys, Carrotmobs oder gehst auch zum ersten Mal in einen Weltladen. Von daher setzt der Stadtrundgang eher auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten und das gegenseitige Motivieren und Erfahrungen austauschen, als auf die Schocker-Nachrichten. Mir persönlich gefällt dabei die Art der Vermittlung beim Stadtrundgang besonders gut – da gibt es keine frontale Belehrungen, sondern man wird als Teilnehmender direkt mit einbezogen, über interaktive Methoden, kleine Rollenspiele, viele Bilder und anschauliche Graphiken, die in jedem Fall gute Anstöße für Diskussionen bieten!
*Ist den SchülerInnen bewusst, was Globalisierung für sie als einzelne Person bedeutet?*
Die SchülerInnen heute wachsen in so einer globalisierten Welt auf, dass für sie das Internet, der Dönerladen, die Freunde unterschiedlicher nationaler Herkunft, die Musik und die Reisen gar nicht mehr wegzudenken ist. Dabei läuft der persönliche Bezug oftmals über den eigenen Konsum. Schon beim Frühstück zu merken, dass ohne Kaffee, Tee, Saft, Schokoaufstrich oder Obst unser Küchentisch ganz schön leer aussähe, können wir uns noch recht einfach vorstellen. Aber wenn es dann z.B. darum geht, sich die globalen Dimensionen unseres Fleischkonsums vorzustellen, wo doch die Rinder hier in Deutschland aufgewachsen und geschlachtet wurden, dann wird es etwas komplizierter: Da dreht es sich dann um die ganze Futtermittelproduktion für die Rinder, wofür beispielsweise Soja auf großflächigen Monokulturen in Brasilien angebaut wird, oder auch um die Tierhaltung, die zu einem sehr hohen Anteil zu den weltweit verursachten Treibhausgasemissionen beiträgt. Ein ganz anderer problematischer Aspekt dabei ist noch unser enorm hoher Fleischverbrauch in Deutschland – wir verspeisen im Jahr durchschnittlich etwa 88,5 kg Fleisch pro Person – das kann man schlecht als nachhaltig bezeichnen, und unser Planet würde sehr schnell kollabieren, wenn sich noch mehr Menschen weltweit so einen Lebensstil wie wir leisten würden... Sich dieser Dimensionen von Globalisierung bewusst zu werden und sich auf diese mentale Weltreise einzulassen ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, bis man auch einige Chancen für das Handeln auf dieser Ebene erkennt.
Bekommen Sie ihm Nachhinein auch Rückmeldungen, ob die TeilnehmerInnen ihr Verhalten verändert haben?
Ich vermute, dass niemand nach einem 90-minütigen Stadtrundgang komplett sein Konsumverhalten und Gewohnheiten verändert. Das ist wohl ein längerer Prozess, bei dem man sich viel selber noch informieren muss und der Stadtrundgang dabei erstmal einen Anstoß bieten kann. Ich mache selber seit 5 Jahren bei den Stadtrundgängen mit und jedes Mal kommen durch die Gespräche mit den TeilnehmerInnen und der Beschäftigung mit den Themen neue Anregungen und Motivationsschübe. Aber wenn eine Schülerin am Ende eines Rundgangs zu mir kommt und so richtig wütend ist auf das, was da von Firmen verschwiegen, von Seiten der Politik verharmlost und von der Werbung vorgegaukelt wird, dann ist ein erster Schritt gemacht. Ich mag das Motto, was im Zuge der Anti-Atom-Aktionen aufgekommen ist „Aus Wut wird Mut - aus Trauer wird Power“ – da können dann solche Energien sehr gut umgewandelt werden!
*Was kann jeder von uns tun, um WELTbewusster zu leben?*
Ein erster Schritt ist sicherlich immer erst mal, sich zu informieren, und das am besten auch aus unterschiedlichen Quellen. Wer da einen ersten Einblick in die Themen bekommen will und weitere Links oder Medien sucht, der findet auf unserer Homepage einen ganz guten Überblick. Nachfragen kostet zwar am Anfang etwas Überwindung, aber zeigt auch recht viel Wirkung: immer mal im Laden nach den ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen fragen, bei Abendveranstaltungen PolitikerInnen mit euren Fragen löchern, zu Hause die Eltern mal nach dem Stromanbieter fragen... Aber vielleicht fallen euch selber ja die kreativsten Wege ein, vor Ort euer WELTbewusstsein in die Tat umzusetzen! Vielleicht gibt es ja sogar schon in eurer Stadt eine Gruppe, die sich mit den Themen beschäftigt oder evt. sogar eine Stadtrundgangsgruppe bei der ihr mal mitgehen oder mitmachen könnt!
Vielen Dank für das Interview!
Autorin / Autor: Sabrina Moosmann - Stand: 7. April 2011