Der dunkelste aller Zauber
Autorin: Margaret Rogerson
Aus dem Englischen von Claudia Max
Elizabeth Scrivener ist in einer Bibliothek aufgewachsen und wurde darin ausgebildet, die Welt vor den hier beherbergten Büchern zu beschützen. Denn diese Bücher sind Grimoires und nicht nur ziemlich lebendig, sondern auch sehr gefährlich. Nach einem schrecklichen Vorfall, den man ihr anlastet, ist sie gezwungen ihr Zuhause zu verlassen und kommt bei dem Versuch, ihre Unschuld zu beweisen, einer Verschwörung auf die Schliche. Außerdem ist sie dabei auf die Unterstützung von Nathaniel Thorn angewiesen, der als Zauberer scheinbar für alles Böse in dieser Welt steht…
Von der ersten bis zur letzten Seite konnte mich dieses Buch fesseln, was nicht nur an der durchweg hohen Spannung der eigentlichen Handlung lag, sondern auch daran, dass es unglaublich viel zu entdecken gab, ohne dass es überladen wirkte. Angefangen bei den Bibliotheken und den Grimoires mit ihren eigenen Persönlichkeiten, über die Verflechtung von Zauberern und Dämonen bis hin zum eigentlichen Setting. Zu Beginn nahm ich an, die Geschichte wäre in einem mittelalterlichen Land angesiedelt, aber als Elizabeth ihre ländliche Heimat verlässt und zum ersten Mal in ihrem Leben in eine Stadt kommt, ähnelt diese eher dem viktorianischen England, sodass ich mit der Protagonistin die Verblüffung über Straßenlaternen teilen konnte. Ich fand es interessant und realistisch, wie gelegentlich kleine Details über den Kontrast von Stadt- und Landleben (z.B. enge Korsette und Hektik gegen Gemütlichkeit und Ruhe) erwähnt wurden, ohne dass darauf ein besonderer Fokus lag und auch in etlichen anderen Punkten konnte mich die Autorin mit ihrer Beobachtungsgabe begeistern.
Auf subtile Art schwingt auch stets Sozialkritik mit, etwa wenn der arrogante Arzt einer jungen Frau mit eigener Meinung einfach Hysterie attestiert und sie in die Psychiatrie verfrachten möchte, die gehobene Gesellschaft sich über alles das Maul zerreißt oder wenn eine naturverbundene Art von Lebewesen, die sich um die Wälder kümmert, aufgrund menschlicher Egomanie am Aussterben ist. Aber wie schon erwähnt, macht die Autorin da keine große Sache draus, sondern lässt die beständige Nebensächlichkeit für sich alleine klingen. Und gerade das hat bei mir für einen besonderen Nachhall gesorgt.
Aber nochmal zur eigentlichen Geschichte: Diese ist nicht nur hervorragend konzipiert, sondern hat es auch immer wieder geschafft, mich zu überraschen. Ich wusste nie, was als nächstes kommt und wenn eine Konstellation ausgeschöpft war, mischte eine Wendung die Karten wieder neu, ohne gezwungen oder willkürlich zu wirken. Tatsächlich könnte ich mir sehr gut eine Verfilmung dieses Buches als TV-Miniserie vorstellen, denn die einzelnen „Stationen“ der Geschichte wären eine wunderbare Vorlage für jeweilige Episoden und haben alle ihre eigenen kleinen Höhepunkte.
Dass ich direkt an eine Verfilmung gedacht habe, liegt bestimmt auch an dem tollen Schreibstil der Autorin, der, bildlich und stellenweise poetisch, eine Visualisierung unvermeidbar werden ließ. Zu Beginn fand ich zwar noch, dass zum Beispiel Lichteinfall und Schatten ein wenig häufig beschrieben wurden, aber eben dies hat zu der düsteren Atmosphäre beigetragen, die die ganze Zeit spürbar war und hervorragend zu Setting und Geschichte passte.
Von mir bekommen das Buch und die Autorin eine absolute Empfehlung und auch wenn ich mir vorstellen kann, dass die eher dunkle Stimmung, die schon auf den ersten Seiten zutage tritt, nicht für jeden etwas ist, lohnt es sich, dem Ganzen eine Chance zu geben, denn eine originelle Geschichte mit tollen Charakteren und Entwicklungen wartet!
*Erschienen bei cbj*
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Autorin / Autor: Miriam W. - Stand: 16. Mai 2022