Ausgezeichnet unter anderem mit der Carnegie Medal und dem Hans-Christian-Andersen-Preis, gilt der Brite David Almond nicht nur in seiner Heimat heute als einer der bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchautoren der Gegenwart. Mit seinem neuen Werk Der Junge, der mit den Piranhas schwamm, legt er erneut eine tiefgründige, sehr gefühlvolle, aber gleichzeitig auch witzige und vor kuriosen Einfällen nur so sprühende Geschichte vor, deren Protagonisten man einfach ins Herz schließen muss.
Seit dem Tod seiner Eltern wächst Stanley Potts bei Tante und Onkel auf und fühlt sich dort stets geliebt und geborgen. Dann jedoch verliert sein Onkel Ernie, ein Schiffsbauer, seine Arbeit in der Werft – und da Ernie niemand ist, der untätig zu Hause sitzen kann, kommt er auf die verrückte Idee, sein Eigenheim in eine Fischfabrik zu verwandeln. Im Nu stehen in allen Zimmern Maschinen, lasterweise werden tote Heringe und Makrelen angeliefert und Stanley darf nicht einmal mehr zur Schule gehen, sondern muss beim Eindosen helfen; da für Möbel im Haus kaum noch Platz ist, schläft er von nun an im Wandschrank.
Mit all jenen Einschränkungen könnte Stanley noch umgehen, denn er liebt seine Verwandten heiß und innig; als er jedoch an seinem Geburtstag von dem Geld, das Onkel und Tante ihm geschenkt haben, vom gerade in der Stadt gastierenden Jahrmarkt dreizehn Goldfische mit nach Hause bringt und sein Onkel diese in einem Anfall von vermeintlich geschäftstüchtiger Genialität ebenfalls in die Bratpfanne wirft und als Produktneuheit vermarkten will, hält Stanley es nicht mehr aus. Ziellos und verzweifelt rennt er aus dem Haus, und als er erneut am Jahrmarkt vorbeikommt, wo die Aussteller gerade zusammenpacken, um weiterzuziehen, nimmt er das Angebot des Entenbudenbesitzers Mr. Dostojewski an, sich den Schaustellern anzuschließen und in die Welt zu ziehen.
Stanley vermisst seine Tante und seinen Onkel sehr, doch in die Gemeinschaft des fahrenden Volkes wird er unmittelbar und herzlich aufgenommen. Er wohnt mit Mr. Dostojewski und dessen zunächst recht missmutiger Tochter Nitascha, die in Stans Alter ist, im Wohnwagen, hilft an der Bude und entpuppt sich als Naturtalent, denn seine Freundlichkeit und Warmherzigkeit gewinnt an jedem neuen Ort schnell die Herzen der Jahrmarktbesucher. Die Wahrsagerin Rosi, die mit der Gruppe reist, prophezeit Stanley, dass es sein Schicksal gewesen sei, sich dem Jahrmarkt anzuschließen, und dass sie alle auf ihn gewartet hätten.
Als der Jahrmarkt wieder einmal Station macht, stößt ein berüchtigter Magier zu den Schaustellern: Pancho Pirelli, geheimnisvoll und angeblich ein wenig verrückt, ist der einzige Mensch, der es wagt, in ein Becken voller Piranhas zu steigen – und der auch lebend wieder daraus aufzutauchen vermag. Auch er scheint ein besonderes Interesse an Stan zu haben und will ihn zu seinem Schüler machen. Obwohl Stanley eigentlich nicht der mutigste Junge ist, fühlt er eine besondere Verbindung zu den Fischen, und unter Pirellis Anleitung lernt er nicht nur, im Wasser seine Angst zu überwinden, sondern auch auf dem Trockenen über sich hinauszuwachsen. Trotz allem wünscht sich Stanley Tante und Onkel herbei – er kann nicht wissen, dass die beiden sich ebenfalls bereits auf den Weg gemacht haben, um ihn zu suchen. Und auch ihre Reise verläuft nicht ohne Hindernisse ...
Der Junge, der mit den Piranhas schwamm, ist trotz der turbulenten Handlung ein eher leises Buch, das nicht durch reißerische Szenen, sondern mit viel Feingefühl, aber auch Humor und Wortwitz den Leser in den Bann zieht. Auch die Vielschichtigkeit der Erzählung beeindruckt – denn als Stanley zum Jahrmarkt stößt, verändert sich nicht nur sein eigenes Leben, sondern er berührt und bewegt auch die Herzen und Schicksale seiner Tante, seines Onkel, Nitaschas und einiger weiterer neuer Freunde vom Jahrmarkt. Eine tolle Schmökerempfehlung für gemütliche Winternachmittage!
*Erschienen bei Ravensburger*
Autorin / Autor: fabienne - Stand: 13. Dezember 2013