Der Junge, der sich Vogel nannte
Autor: Jan Henrik Nielsen
Blühende Gärten. Schillernde Pflanzen. Essen in allen Formen und Farben. Friedensverträge von Dauer. Verständigung unter allen Völkern. Zugang zu Medizin für jede Krankheit. Kurz: Die Zukunft! Tja, schön wäre es. Von einem solchen Leben können die Schwestern Nanna und Fride nur träumen. Jahre haben sie mit ihrem Vater in dem Bunker unter ihrem früheren Ferienhaus gelebt. Dort war es sicher. Dort konnte ihnen nichts passieren; denn draußen gibt es kein Leben mehr. Alle Pflanzen sind verdorrt, jede Vegetation verschwunden. Ob es noch Überlebende gibt, wissen sie nicht. Hat der Mensch Gott spielen wollen und alles vernichtet? War es eine Naturkatastrophe oder Seuche? Keiner kennt den Grund, plötzlich begann das Sterben, und bald war keiner mehr sicher.
Die Freude der Mädchen, endlich wieder nach oben zu dürfen, währt nicht lange. Ihr Vater hat sich infiziert und benötigt Medizin. Die Stadt scheint seine einzige Möglichkeit zu sein, um diese noch zu erhalten. Also begeben sich Nanna und Fride alleine auf den Weg, um die einzige Person zu retten, die ihnen noch geblieben ist. Doch sie scheinen nicht alleine zu sein. Wer ist dieser Junge, der sich "Vogel" nennt? Und wer sind die Schatten, die in den U-Bahnschächten lauern? Werden die Schwestern ihr Ziel noch rechtzeitig erreichen?
*Meine Meinung*
Zuallererst muss ich sagen, dass ich den Rahmen der Geschichte einfach phantastisch finde. Die Welt der Zukunft, kein Ort von Technologie und Fortschritt beherrscht. Keine Welt, die Krankheiten nur noch aus Geschichtsbüchern kennt. Niemand, der dank Genmanipulation 100 Jahre länger lebt. Ebenso nicht das Extrem in die andere Richtung, keine Meteoriten, keine Außerirdischen, keine Lava aus dem Erdinneren, die alle in den Tod reißt. Nein, sondern ein Prozess, wie es ihn wirklich geben könnte. Eine Seuche, Auslöser unbekannt, nicht genug Medizin, Panik, Evakuierung, Tod.
Nielsen hat das Fundament für einen Roman mit großem Potenzial gelegt. Allerdings muss ich sagen, dass er dieses viel besser hätte nutzen können. Die Mädchen sind nicht einmal Teenager, sie wissen nichts von der Welt da draußen, aber immer finden sie Hilfe und freundliche Menschen. Sicherlich sind sie weiter in der Entwicklung als normale Teenager in ihrem Alter, die haben schon zu viel erlebt. Ich denke jedoch, dass sie trotzdem noch Kinder sind; diese Extreme, die Nielsen schafft zwischen durchschnittlichem Verhalten für ihr Alter und dem kompletten Gegenteil sind nicht glaubhaft. Ebenso verhält es sich mit den Menschen, die den Schwestern begegnen. Nach einer solchen Katastrophe, ohne Nahrungsquellen, ohne Hoffnung, dass irgendwann wieder richtiges Leben auf der Erde möglich sein wird, ist man nicht gleich aufgeschlossen Fremden gegenüber. Es ist unwahrscheinlich, dass zwei kleine Kinder alleine überlebt haben, man wäre erst einmal vorsichtig. Am meisten stört mich der Schluss. Nanna ist 12 Jahre alt, jahrelang war die einzige Bezugsperson der Mädchen ihr Vater. Mit ihm haben sie in einem Bunker gelebt, er hat sie unterrichtet, sich um sie gekümmert. Wenn diese Person stirbt, egal wie viel sie schon durchgemacht haben, ein zwölfjähriges Mädchen würde anders reagieren.
Kurz: Obwohl Nielsen einen ansprechenden Schreibstil an den Tag legt und der Rahmen seiner Geschichte wunderbar ist, wird dies von dem fehlenden Realismus des Buches überdeckt!
*Erschienen bei: Lübbe*
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Autorin / Autor: logoso - Stand: 6. Dezember 2013