Der Mauersegler

Autorin: Jasmin Schreiber

Prometheus flieht. Vor sich selbst, der Vergangenheit und der Zukunft. In der kleinen Stadt an der deutschen Küste kann er auf jeden Fall nicht mehr sein. Nicht nachdem, was mit Jakob, seinen besten Freund, passiert ist. Den liebt er mehr als alles andere. Zumindest vermutlich, denn ganz egal ist ihm ja seine Karriere als Arzt auch nicht. Und auch Statussymbole wie Geld haben sich, ganz umbemerkt, eine wichtige Rolle in seinem Leben erschlichen. Doch Jakob war schon immer da, seit Prometheus ein kleiner Junge ist und die beiden ergänzen einander, obwohl sie so unterschiedlich sind. Und dann wird Jakob auf einmal krank- Blasenkrebs. Und da Prometheus genau zu dem Thema forscht und sich intensiv mit dieser Krebsart auseinandersetzt, scheint es nur natürlich, dass er die Behandlung übernimmt.

Jasmin Schreiber thematisiert, wie schon in ihrem ersten Buch "Mariannengraben", die Liebe. Dabei geht es der Autorin nicht um die romantische Liebe, sondern sie zeigt Facetten dieses Gefühls auf, die wir für andere Menschen als unsere Partner_innen empfinden. In diesem Buch geht es also um Freundschaft. Das eine solche Erzählung überfällig war, merkt man erst beim Lesen. Und, auch da zeigen sich Parallelen zu ihrem ersten Buch, ihre Geschichte handelt von Trauer, Wut und zerissenen Protagonisten. Garniert ist das ganze mit biologischen Fakten (vor allem über Mauersegler). Das klingt exzentrisch, ist es aber kein Stück.

Prometheus, der Protagonist der Geschichte, ist kein netter Mensch im klassichen Sinne. Aber die Autorin schafft es, dass man ihn als Leserin gleichzeitig ablehnt und versteht. Man lernt ihn kennen, als er gerade im Auto sitzt und nach Dänemark fährt. Die Figur wirkt gehetzt, getrieben und zutiefst unglücklich. Diese Emotionen beschreibt Schreiber so, dass man als Leserin meint, sie selbst zu empfinden.

Durch verschiedene Rückblenden werden Prometheus Reaktionen auf Jakobs Blasenkrebs in ein anderes Licht gerückt und verständlich. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie ich selbst wohl handeln würde, wenn ich plötzlich meinem besten Freund beim Kampf gegen eine solche Krankheit helfen müsste. Und das nicht nur als emotionale Stütze, sondern als behandelnde Ärztin.

Die Rückblenden, die den Lesenden Prometheus Handeln näher bringen, wechseln sich ab mit Schilderungen seines neuen Lebens in Dänemark. Dort landet Prometheus bei einem älteren Paar mit Pferden. Auch wenn die beiden Frauen ganz offensichtlich ihre eigenen Päckchen zu tragen haben und Prometheus nicht nur die spirtuellen Rituale irritieren, die sie praktizieren, sondern auch die Tatsache, dass ihre geliebten Pferde bei ihnen auch auf dem Tisch landen, wird er hier aufgenommen und findet einem Ort, an dem er zur Ruhe kommen kann. Zumindest ein bisschen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass "Der Mauersegler" von Liebe zu Freund_innen, Familie und auch Partner_innen erzählt. Von Trauer, Wut, dem Streben nach mehr und irgendwie auch von der Suche nach dem, was eigentlich zählt im Leben.


*Erschienen im Eichborn Verlag*

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Autorin / Autor: karla94 - Stand: 13. Oktober 2021