Der Medicus

Eine vorhersehbare Handlung mit starkem Hauptdarsteller und blassen Nebenfiguren

Am Krankenbett seiner Mutter erkennt Rob Cole (Tom Payne) schon als Kind, was für eine bemerkenswerte Gabe er besitzt: Er kann den Tod fühlen. 1021 nach Christus gibt es in England weder Ärzte noch Krankenhäuser, die einzigen Heilkundigen sind die reisenden Bader. Sie verkaufen Salben und Kräuter, ziehen Zähne und renken Knochen wieder ein, leben aber vor allem von ihren Geschichten und Taschenspielertricks. Robs Mutter, die an der unheilbaren „Seitenkrankheit“ leidet, kann nicht geholfen werden, auch der im Dorf verweilende Bader (Stellan Skarsgård) kommt zu spät. Nach dem Tod seiner Mutter schließt Rob sich ihm an und wird sein Lehrling. Als der Bader älter und immer blinder wird und Rob mitansieht, wie ein jüdischer Heiler ihm durch eine Operation sein Augenlicht wiederschenkt, steht für den jungen Mann fest: Ihm reicht das gewöhnliche Leben als Bader in England nicht, er möchte mehr lernen. Der jüdische Heiler erzählt ihm vom besten Medicus der Welt: Ibn Sina (Ben Kingsley), der im Orient lehrt und sogar eine eigene Schule errichtet hat, um sein Wissen weiterzugeben. Doch in Isfahan werden neben den Moslems nur Juden geduldet. So gibt Rob sich als Jude aus, beschneidet sich selbst und macht sich auf die Reise zu Ibn Sina. Auf dem Weg dorthin begegnet er der schönen Rebecca (Emma Rigby), in die er sich verliebt, doch sie ist schon einem anderen versprochen. Der Schah (Olivier Martinez) regiert die Stadt streng, verhindert aber durch sein Regime, dass die Seldschuken an die Macht gelangen, die Juden aus der Stadt vertreiben und die fortgeschrittene Medizin unterbinden. Als schließlich die Pest in der Stadt ausbricht, werden Robs medizinische Kenntnisse auf eine harte Probe gestellt.

*Andere Zeit, andere Welt*
Mit „Der Medicus“ wurde Noah Gordons Weltbestseller nun mit hochkarätigem internationalem Cast 17 Jahre nach seinem Erscheinen verfilmt. Das Buch wurde in 32 verschiedene Sprachen übersetzt und allein in Deutschland über sechs Millionen Mal verkauft. Die Handlung des Films ist sehr geradlinig, und wirklich überraschende Moment gibt es kaum, aber trotz dieser vorhersehbaren Geschichte entführt der Film den Zuschauer in die Vergangenheit, die zwischendurch eher wie eine andere Welt als eine andere Zeit wirkt. Dabei ist die Titelfigur des Films, der Medicus Ibn Sina, eine historisch belegte Figur.

Geschichtliche Vorkenntnisse braucht man allerdings keine, denn in einer Einleitung werden die medizinischen Zustände in England erläutert. Zusammen mit der Hauptfigur Rob Cole taucht der Zuschauer immer tiefer in die Welt der Heilkunst ein und begleitet ihn auf seinem Weg zum Arzt. Die Hoffnung, irgendwann vielleicht die Seitenkrankheit, an der seine Mutter gestorben ist, heilen zu können, ist so stark, dass Rob dafür eine einjährige Reise auf sich nimmt, um bei dem Besten zu lernen. Diese Motivation wird dem Zuschauer im Verlauf der Geschichte mit verschiedenen filmischen Stilmitteln immer wieder gekonnt in Erinnerung gerufen.

*Die Nebenfiguren verblassen neben der ausgearbeiteten Hauptfigur*
So kann man sich leicht in die Hauptfigur hineinversetzen und Sympathie gegenüber dem jungen Mann entwickeln. Schade ist, dass Rob Cole allerdings die einzige der Figuren ist, die so weit ausgearbeitet ist, dass man sich mit ihr identifizieren kann. Tom Payne, der hier seine erste Hauptrolle übernimmt, verkörpert den jungen Mann sehr glaubwürdig und überzeugend, seine Faszination für den menschlichen Körper ist geradezu mitreißend.

Die anderen Figuren des Films wirken vergleichsweise farblos. Zwar machen die beiden Star-Zugpferde des Films, Stellan Skarsgård und Ben Kingsley, ihre Arbeit wie immer sehr gut, doch ihre Figuren sind als der raubeinige - aber unter der harten Schale herzensgute - Bader und der weise und gelehrte Medicus so klassisch angelegt, dass sie so vorhersehbar sind, dass sie langweilig wirken.

Auch der Schah von Isfahan hätte eine wirklich interessante Figur werden können, seine Auftritte wurden allerdings leider hauptsächlich dafür genutzt, ihn mühsam als undurchsichtigen selbstherrlichen Mann darzustellen. Erst zum Ende hin wird klar, dass er garantiert, dass die Juden und die Schule des Medicus weiter in der Stadt bleiben können. Diesen Zwiespalt zwischen Tyrann und Retter der Stadt hätte man deutlich besser ausarbeiten können, so bleibt der Schah nämlich leider nicht lange in Erinnerung.

*Medizin, Liebe und Freiheit*
Zu Beginn des Films gibt es einige Landschaftsaufnahmen, die ein wenig so wirken, als wollten sie Peter Jackson nachahmen, danach konzentriert sich der Film lieber auf die architektonischen Aspekte. Wirklich beeindruckende, allein am Computer erstellte Sets erwarten den Zuschauer im Orient.

Hauptthema neben der Medizin ist im Film natürlich die Beziehung zwischen Rob und Rebecca. Auch hier gibt es keine überraschenden Wendungen, sie ist wie jede andere tragische Liebesgeschichte inszeniert. Interessant sind hier lediglich die beiden Schauspieler. Vielleicht wäre es an dieser Stelle spannender gewesen, mehr Wert auf den Konflikt mit den Seldschuken zu legen, die hier nur als 0815-Bösewichte dargestellt werden. Die Themen Toleranz und Freiheit rücken so auch eher in den Hintergrund.

Die medizinischen Stellen wirken allesamt sehr echt, es spritzt nicht zu viel Blut, sondern es wirkt tatsächlich ziemlich realitätsnah. Besonders interessant gelöst ist die Szene, in der man von innen sieht, wie der Körper aufgeschnitten wird und das Licht durch den Einschnitt fällt. Überhaupt vermag es der Film, selbst Menschen, die das Thema sonst gar nicht anspricht, für Medizin und die Heilkunst zu begeistern.

*Fazit*
„Der Medicus“ ist ein guter Zeitvertreib, wer allerdings nach einer spannenden Geschichte mit einigen Überraschungen sucht, sollte sich besser woanders umsehen. Alle, die einfach nur aus der Realität abtauchen wollen, werden hier hoffentlich ihren Spaß haben. Auf jeden Fall verspricht die Leistung Tom Paynes eine interessante Zukunft für den Schauspieler.



Kinostart: 25. Dezember 2013; FSK: ab 12; Lauflänge: 130 Min.; Regie: Philipp Stölzl; Darsteller: Tom Payne, Stellan Skarsgård, Ben Kingsley

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Autorin / Autor: Jana Schaefer - Stand: 16. Dezember 2013