Die Anarchie der Buchstaben
Autorin: Kate de Goldi
übersetzt von Ingo Herzke
ab 12 Jahren
Bereits mit "Abends um 10" hat Kate de Goldi bewiesen, dass sie ein Gespür für leise, aber sehr emotionale Erzählungen hat, und auch mit "Die Anarchie der Buchstaben" legt sie erneut ein Buch vor, dass nicht von einer packenden, temporeich erzählten Handlung, sondern von starken Charakteren und einer sehr einfühlsamen und nahbaren Sicht auf die Geschichte lebt.
Die künstlerische, hochwertige Umsetzung des Buches bildet dabei einen ausgesprochen passenden Rahmen, der zusätzlich zum Lesevergnügen beiträgt.
Die neunjährige Perry ist das Kind überambitionierter Eltern – ihre Nachmittage nach der Schule sind mit Klavierunterricht, Klarinettenstunden oder Ausdruckstanz belegt, und während Vater und Mutter zwar alles tun, um ihre Tochter zu fördern, bleiben Warmherzigkeit, Liebe und Zuwendung dabei mitunter auf der Strecke. Ebendies findet Perry jedoch, als sich in ihrem Zeitplan aufgrund der Krankheit ihrer Tanzlehrerin eine Lücke auftut und sie beginnt, einmal in der Woche ihre Oma im Altenheim zu besuchen. Zwar leidet die alte Honora Lee unter Demenz und erkennt Perry meist überhaupt nicht als ihre Enkelin, doch die beiden freunden sich an, und ungeachtet des Missfallens ihrer Eltern beginnt sie, mehr und mehr Zeit mit ihrer Oma und deren Mitbewohnern zu verbringen. Dann beginnt Perry, für ein Schulprojekt ein Alphabetbuch mit den alten Leuten zu erstellen – bei dem es zwar manchmal mit den Buchstaben etwas durcheinander geht, das aber alle Heimbewohner und Perry sehr viel enger zusammenbringt. Alt und Jung schließen sich dabei immer mehr ins Herz. Perry merkt bald, dass sie bei ihren Besuchen im Heim vielleicht andere, aber keineswegs weniger wichtige Dinge lernen kann als in all den ambitionierten Kursen, die ihre Eltern ihr so sehr ans Herz legen: Dinge über das Leben und Sterben, über Freundschaft und Werte und darüber, dass manchmal die Freude an einer Sache wichtiger ist als Perfektionismus ...
Obwohl in personaler Perspektive erzählt, führt Kate de Goldi den Leser ganz nah an die junge Protagonistin heran, und der unbefangene, mitunter leicht naive, vor allem aber vorurteilslose Blick durch Perrys Augen auf viele in Erwachsenenaugen oft problembelastete Situationen, die gerade gegenüber Kindern häufig nur mit Unbehagen oder lieber überhaupt nicht thematisiert werden, ist erfrischend und regt zum Nachdenken an. Der Zauber ihrer kindlichen Unbefangenheit berührt, und so wird die Geschichte trotz leiser Töne sehr schnell die Aufmerksamkeit des Lesers ein und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los – zumal auch der Humor keineswegs zu kurz kommt. Tolle, sehr stimmungsvoll umgesetzte Illustrationen – aus Perrys Feder – transportieren zusätzlichen Charme und machen das Buch zu einem echten kleinen Juwel. Eine Leseempfehlung ganz sicher nicht nur für Kinder!
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Autorin / Autor: fabienne - Stand: 14. November 2014