Stell dir vor, du bist ein dreijähriger Wolf, dessen Familie schon zu lange hungern muss. Würdest du dich in die besseren Wälder aufmachen? Die Eltern des kleinen Wolfs träumen von den Verheißungen der besseren Wälder. Dort wird es ihnen besser gehen. Dort werden sie genug zu essen haben. Dort lässt es sich leben. Doch nur ihr Sohn wird den Zaun überqueren, sie werden es nicht überleben, werden nie sehen, was er sieht: sein neues Zuhause.
Wanda und Frauke können keine Kinder bekommen, schon lange wünschen sie sich ein kleines Schäfchen. Als sie den jungen Wolf finden, einsam und verloren, nehmen sie ihn auf. Sie machen ein Schaf aus ihm, nennen ihn Ferdinand. Als Ferdinand 17 Jahre alt wird, ist er beliebt, er ist der singende Star der Schafe. Auch Melanie ist fasziniert von ihm. Mit ihr zusammen überquert er den Zaun, besucht das Rote Dorf. Am nächsten Tag findet er sich im Gefängnis wieder. Er soll Melanie Weißherz getötet haben. Und Ferdinand, der Star der Schafe, soll in Wirklichkeit ein Wolf sein.
Der Roman von Baltscheit ist kein durchschnittliches Buch mit fortlaufenden Seiten, gefüllt mit Unmengen von Buchstaben, sondern er spielt mit Bild und Schrift. In oft bunten Farben findet der Leser Zeichnungen der Landschaft, Personen und Szenen. Auch die Schrift passt sich der Geschichte an: Die Größe kann variieren, ebenso wie ihre Farbe. Der Autor lässt nicht nur die schwarzen Lettern seine Geschichte erzählen, sondern das komplette Werk.
Die Idee der Geschichte spricht mich an. Ein Wolf, der seine wahre Herkunft nicht kennt, sie schließlich doch akzeptieren muss, aber dennoch gefangen ist zwischen seinen Identitäten. Es ist durchaus möglich, den Sachverhalt der Geschichte auf uns Menschen zu übertragen. Wir müssen uns nur die Reaktion vorstellen, wenn jemand nicht der ist, der er zu sein vorgab. Es ist dann egal, ob er davon wusste oder nicht, man begegnet ihm im guten Falle nur mit Skepsis. Die Person hat sich nicht verändert, sie ist die selbe, mit der man noch am Tag vorher geredet hat, doch nun ist sie für einen ein komplett anderer Mensch. Allerdings bringen die Reaktionen, die Abneigung der Menschen gegenüber dem einen sowie das eigene Nachdenken über sich selbst möglicherweise eine neue Person hervor.
Ferdinand geht es eben so. Er fragt sich, wer er ist und noch viel wichtiger, wo er hingehört. Er ist gefangen zwischen zwei verfeindeten Welten: Die zu der seine Art gehört und jene, die ihn aufgezogen hat. Er kann kein Schaf mehr sein und ein richtiger Wolf ist er auch nicht.
Jano und Mascha, führen ihn in die Welt der Wölfe ein. Für Mascha empfindet er schließlich mehr als er anfangs geglaubt hätte. Ihr eigentlicher Freund Jano nimmt ihn mit zu der Insel der Wölfe, welche planen, die besseren Wälder zu überfallen und dazu benötigen sie seine Hilfe.
Dort leben immer noch Wanda und Frauke, seine „Eltern". Zwei herzensgute Schafe, die immer sehr stolz auf ihren Ferdinand waren und nicht daran glauben, dass er Melanie hätte umbringen können.
Melanie selbst war seine erste Liebe. Jünger als er, aber wagemutig. Sie träumte von der großen Welt und dem Ausbrechen aus den gewohnten Konventionen. Feigheit war keine Tugend für sie, im Gegenteil zu dem Rest der Schafe.
Baltscheit hat einfach eine geniale Figurenkonstellation erschaffen, welche dem Roman eine besondere Note verleiht. Er hat an alles gedacht um dieses Werk mehr als lesenswert zu machen.
Kurz gesagt: "Die besseren Wälder" sollte jeder gelesen haben, es ist ein tolles Werk, das zum Nachdenken anregt.
"Die besseren Wälder" erschien 2013 bei Beltz und Gelberg. Der in Düsseldorf lebende Autor Martin Baltscheit ist auch im Bereich Theater, Film und Hörbuch aktiv. Mehrere seiner Werke erhielten bereits Auszeichnungen und Preise wie den Deutschen Jugendliteraturpreis, die Silberne Feder oder für seinen aktuellen Roman der Jugendtheaterpreis.
*Erschienen bei: Beltz und Gelberg*
Autorin / Autor: logoso - Stand: 8. Oktober 2013