Die letzte Dichterin
Autorin: Katharina Seck
„Die letzte Dichterin“ wartet mit allem auf, was einen klassischen Fantasy-Roman spannend macht: Die skrupellose Königin Malwine, die in der sagenumwobenen und unmöglich zu findenden Stadt Fernab mit grausamer Hand herrscht und versucht, dem Land Phantopien wieder zu alter Größe zu verhelfen. Die gebildete, jedoch verarmte Geschichtenerzählerin und Dichterin Minna, die von Dorf zu Dorf zieht, um ihre Kunst ausüben zu können. Der Schatzsucher Finn, der gezwungen wird, seine Ausbildung bei einer grobschlächtigen Räuberbande zu absolvieren. Der Gabensucher Valerian, der für die Königin arbeiten muss, sie aber unbändig hasst. Diese vier Charaktere bilden auch die Erzähler der Geschichte. Magische Geschöpfe kommen allerdings nicht vor, Drachenfans könnten also ein bisschen enttäuscht sein. ;-)
Der Roman nimmt Fahrt auf, als Minna eine Einladung zu einem Dichterwettstreit in Fernab bekommt, und gleichzeitig ihr Geschichtenbuch von Finn gestohlen wird. Sie stellt ihn und bietet ihm einen Handel an: Sie verschafft ihm mit ihrer Einladung Zutritt zur Stadt, wenn er ihr hilft, diese überhaupt erst einmal zu finden. Da Finn von klein auf von Fernab träumt, schlägt er ein, und die beiden wandern los, mitten in ein Nest aus Magie und Kunst, aber auch Lügen und Intrigen.
Über der eigentlichen erzählten Geschichte steht als großes Thema die Art der Magie in Phantopien, denn diese entsteht durch die Ausübung der fünf großen Künste: Bildhauerei und Malerei, Schauspielerei, Musik und zuletzt die Dichtung. Die Verbindung von Kunst und Magie ist etwas, das man sich auch in seinem Alltag hin und wieder vor Augen führen kann, und die das Leben auf jeden Fall schöner machen kann. Außerdem fängt die Geschichte mit kleinen Fragen an: Wie bilde ich Vertrauen zu einem neuen Verbündeten aus? Was ist der Unterschied zwischen einem gestohlenen und einem gefundenen Schatz? Wie kann ich meinen eigenen Erwartungen gerecht werden? Und sie endet mit den ganz großen Fragen – aber ich will ja nicht spoilern.
Der Roman ist nicht perfekt und krankt hauptsächlich an dem, woran viele Fantasy-Romane kranken: Verschnörkelung und Adjektive. Das ist schade, denn die Geschichte ist so gut ausgedacht, dass es ihr nicht geschadet hätte, in geraden Sätzen erzählt zu werden, ohne dass jeder Schritt flink, jedes Geräusch unheimlich, jeder Blick verstohlen und jeder Windhauch eisig sein müsste. Der aufmerksamen Leserin können außerdem kleinere Kontinuitätsfehler auffallen, die sich aber auf Details beschränken und den Lauf der Geschichte nicht beeinflussen.
Diese kleinen Schwächen kann „Die letzte Dichterin“ aber durch die schön aufgebaute Geschichte und den ihr innewohnenden Zauber ausgleichen. Das Buch weist noch ein paar zusätzliche Pluspunkte auf: Trotz der vielen Perspektivwechsel ist die Handlung zu jeder Zeit nachvollziehbar und nicht verwirrend. Auch die Besetzung von Machtpositionen durch Frauen und gleichberechtigte Bildung in Phantopien wird so selbstverständlich erzählt, dass mir erst nach der Hälfte des Buchs aufgefallen ist, dass das in einer Fantasy-Mittelalter-Welt alles andere als Standard ist. Dafür ein sehr großes Lob.
Für diejenigen, die während des Lesens gerne Musik hören, ist am Anfang des Buchs eine Playlist angegeben. Das ergibt einen gut vierstündigen epischen Soundtrack, der mitreißend, aber nicht zu ablenkend ist und auch später zum Lernen wiederverwendet werden kann.
Alles in allem ist der Roman eine schöne Unterhaltung, die große Wahrheiten einfach vermittelt. Und die ein bisschen mehr Magie in unser Leben bringen kann.
*Erschienen bei Bastei Lübbe*
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Autorin / Autor: Claire - Stand: 03. April 2020