Die Wahnsinnige
Autorin: Alexa Hennig von Lange
Johanna kann es nicht fassen: Ihre Mutter, Isabella die Katholische, sperrt sie ein. Ihrer Meinung nach ist Johanna weder katholisch genug, um die Krone zu übernehmen, noch ist sie stark genug, sich gegen die Wutanfälle, deren Ruf ihr weit vorauseilen, zur Wehr zu setzen.
Dabei will Johanna nur eins: Zurück zu ihrem Mann, Philip dem Schönen und ihren Kindern nach Flandern…
Der Roman „Die Wahnsinnige“ von Alexa Hennig von Lange spielt zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Spanien, doch die Themen, die angesprochen werden, haben nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Johanna kämpft nicht nur gegen den strengen Glauben ihrer Mutter an, sondern setzt sich auch gegen die patriarchalischen Strukturen zur Wehr, auf die ihr Ehemann sich beruft. Wen würde es nicht zur Weißglut treiben, wenn in einer monogamen Beziehung immer nur die eine Seite monogam ist, während die andere sich mit den verschiedenen Hofdamen amüsiert?
Was aus heutiger Perspektive wohl zu einer schnellen Trennung führen würde, wird in der Gesellschaft, die in dem historischen Roman beschrieben wird als vollkommen akzeptables Verhalten angesehen, und Johannas Wutanfälle gelten als maßlos überzogen.
Dass aktives 'sich zur Wehr setzen' von Frauen noch heute oft misstrauisch betrachtet wird, verleiht dem historischen Roman einen modernen Anstrich und hinterlässt bei der Leserin teilweise den schalen Geschmack der Enttäuschung darüber, dass wir diesbezüglich noch nicht viel weiter sind.
Die Autorin schafft es aber auch, in der Leserin den Drang zu erwecken, sich gegen diese Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen. Anders als von ihrem Umfeld suggeriert, kam mir Johanna keineswegs wahnsinnig vor, sondern wenn überhaupt ein wenig naiv. Sie beschäftigt sich kaum mit den Machenschaften rund um die Krone, interessiert sich weder für wirtschaftliche Zusammenhänge noch für Politik und wird so zu einem Spielball zwischen ihrem Ehemann und Vater. Als Leserin möchte man sie an die Hand nehmen und ihr zuflüstern, dass sie ihr Glück nicht in den Armen ihres Ehemanns suchen sollte, sondern sich in die Geschicke der Welt einmischen sollte. Als zukünftige Königin von Spanien stünde ihr das gut.
Das Buch ist sehr kurzweilig. Das liegt einerseits daran, dass die Hürde, mit Johanna mitzufiebern sehr niedrig ist und andererseits an dem flüssigen und angenehmen Schreibstil der Autorin. Dabei bietet das Buch einen Erklärungsversuch für das Verhalten einer historischen Figur, was es zu mehr als einem schnellen Lesevergnügen macht.
Ein toller Roman für all diejenigen, die sich mit einem aktuellen Problem in einem historischen Kontext auseinandersetzen möchten.
*Erschienen bei Dumont*
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Autorin / Autor: karla94 - Stand: 16. Oktober 2020