Doch keine Filterblasen und Echokammern?

Forscher_innen sehen vielfältigen Nachrichtenkonsum durch soziale Netzwerke und Suchmaschinen eher begünstigt als eingeschränkt

Wer die News des Tages hauptsächlich aus seinen sozialen Netzwerken und über Suchmaschinen bezieht, bewegt sich in sogenannten Filterblasen und Echokammern und das wirkt sich negativ auf die Vielfalt der genutzten Nachrichten aus. So die zurzeit weit verbreitete Annahme. Grund dafür ist, dass den algorithmischen Filtern dieser Plattformen nachgesagt wird, sie zeigten Nutzer_innen nur solche Informationen an, die ihren Interessen und Neigungen entsprechen.

Widerspruch gegen diese These erheben nun Forscher_innen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Universität Hohenheim und des GESIS–Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Sie zeigen anhand einer innovativen Messung des Onlinesuch-Verhaltens von mehr als 5.000 deutschen Internetnutzer_innen, dass die Nutzung von Facebook, Twitter, Google oder Portalen wie GMX nicht zur Einschränkung der Nachrichtenvielfalt führt, sondern die Nutzer_innen im Gegenteil mehr unterschiedliche Newsseiten besuchen. Wie kommt es zu dieser These, die ja im krassen Gegensatz zur bislang verbreiteten Ansicht steht?

*Haben soziale Medien und Suchmaschinen das Potenzial, Mauern zu überwinden?"*
Wer Facebook oder Google besuche, komme mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mit Nachrichten in Kontakt, erklärt Dr. Frank Mangold von der Universität Hohenheim. Das Forscherteam führt dies auf das Konzept der zufälligen Wahrnehmung von Nachrichten zurück, was beim Konsum von traditionellen Medien wie Fernsehen und Zeitung so gut wie ausgeschlossen ist, da man hier nur die Meldungen sieht, die man bewusst auswählt. Auf sozialen Netwerken kämen Menschen auch zufällig mit Meldungen in Berührung, etwa wenn ihre Kontakte Nachrichteninhalte teilen oder sie beim Abrufen von E-Mails auf interessante Artikel stoßen. Aus ihren Studienergebnissen entstünden völlig andere politische und gesellschaftliche Schlussfolgerungen, weil sie der Bildung von Filterblasen oder Echokammern widersprechen. "Bisherige Debatten haben sich in vielerlei Hinsicht um die Befürchtung gedreht, dass Online-Medien zur Entstehung neuer Mauern in der Gesellschaft führen", so Prof. Dr. Michael Scharkow von der JGU. "Unsere Ergebnisse zeigen demgegenüber, dass soziale Medien und Suchmaschinen durchaus das Potenzial haben, bestehende Mauern zu überwinden."

Was die Forschenden aus bisherigen Studien der Universität Oxford wissen, ist, dass der Zugang zu Nachrichten zum Teil zufällig, zum Teil aber auch durchaus bewusst passiert. Manche besuchten eben Facebook, Twitter und Co. auch deshalb, weil sie dort Nachrichten konsumieren könnten. Mithilfe eines statistischen Modells errechneten die Forscher die erwartete Nachrichtennutzung pro Tag, um den zufälligen beziehungsweise ungeplanten Kontakt mit Nachrichten zu isolieren. Dabei zeigte sich: "Egal ob ein Nutzer normalerweise viel oder wenig Online-Nachrichten konsumiert: An Tagen, an denen jemand mehr auf Facebook, Twitter oder Google unterwegs ist als sonst, bekommt er auch mehr Nachrichten und Nachrichten aus mehr Quellen zu sehen als sonst", sagt GESIS-Wissenschaftler Dr. Sebastian Stier.
Die Forscher weisen aber auch darauf hin, dass weitere Studien und genauere Einblicke in die Algorithmen notwendig sind, um genauer zu verstehen, wie diese Plattformen den unbeabsichtigten Nachrichtenkonsum fördern.

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