Echt

Autor: Christoph Scheuring
ab 14 Jahren

Buchcover

Ein kleines blaues Buch. Ohne jeglichen Schnickschnack, nur vier leuchtend orangene Buchstaben: „echt“. Ebenso schnörkellos und ungeschönt ist die Geschichte, die sich in diesem bemerkenswerten und zurecht für den Jugendliteraturpreis 2015 nominierten Buch befindet.
Alles beginnt am Bahnhof. Dort steht Albert und schlägt seine Zeit tot, in dem er Abschiede „sammelt“, für ihn die ehrlichsten Momente zwischen zwei Menschen, nahezu perfekte Momente. Die fotografiert er, unbeobachtet wie er glaubt. Bis er von der Polizei aufgegriffen und fälschlicherweise mit Diebstählen in und um den Hamburger Hauptbahnhof in Verbindung gesetzt wird. Das ist aber nur der Auftakt, was folgt ist eine immer tiefere Verstrickung Alberts in die Schattenwelt des Bahnhofslebens. Auf einmal ist er nicht mehr der stille Beobachter, sondern ist hautnah am Geschehen dabei, oder besser: an den Leuten. Da ist Kati, die ihn fasziniert. Die ganz anders ist, als die Mädchen in seiner Klasse, die sich einen Dreck um ihr Aussehen schert und einfach ihr eigenes Ding durchzieht. Sascha, der Drogen nimmt und Aggressionen hat, regelrecht gewalttätig ist, aber in allem was er tut, Regel und Prinzipien hat und vor allem auf „seine Leute“ aufpasst. Rico, der loyal zu Sascha steht. Mona, die Nutte, die selbst unter den Außenseitern irgendwie mehr im Abseits steht. Und sie alle haben eines  gemeinsam: Sie sind Straßenkinder. Kinder ohne Perspektive, Hoffnung, Zukunft.
Und Albert findet sich nach und nach in immer engerer Freundschaft zu ihnen – und mit Kati in so was wie – Liebe?
Doch mit Kati ist es ganz besonders kompliziert, zumal sie ihre eigenen Interessen verfolgt: die Wahrheit hinter einem von Alberts Abschiedsszenen Bildern zu finden. Auf diesem sieht man ein junges Mädchen, dass sich von einem jungen Mann verabschiedet, in inniger Umarmung. Kati ist der festen überzeugung, dass das Foto eine Lüge ist, setzt alles daran die Protagonisten darauf zu finden. Eine Suche, die mehr als nur schwierig ist.

„Echt“ hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Zunächst ist es unterhaltsam in flotter, oftmals ironisch untermalter Sprache geschrieben und liest sich schnell und ohne große Schwierigkeiten. Jugendnaher Slang, ohne dabei lächerlich zu wirken und eine gute Mischung aus Erzählen und Erklären lassen das Buch authentisch und lebendig werden. Und ehe man sich versieht, steckt man schon mittendrin, in dieser anderen und kaputten Schattenwelt der Straßenkinder. Dabei wird das Drama, das den Alltag dieser Kinder bestimmt, lange durch die Sprache und jugendliche Coolness heruntergespielt ohne verleugnet oder kaschiert zu sein, bis praktisch von einer Seite zur nächsten die große Wende eintritt. Hier sollte man sich dann schleunigst eine Packung Taschentücher zur Seite stellen, denn auch wenn ich es gar nicht erwartet hätte, die Emotionen die hier auf den letzten Seiten einziehen, lassen selbst das kälteste Herz zerfließen – Tränen vorprogrammiert.
Ich möchte gar nicht genauer darauf eingehen, was diese Emotionen auslöst, denn das ist wohl eine der am meisten unerwarteten Wenden, die mir je in einem Buch unter gekommen ist – viel eher möchte ich jeden diese Geschichte wärmstens ans Herz legen, nicht zuletzt weil es nach „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und „Asphalt Tribe“ eine gelungene und aktuelle Einsicht in das Leben von Straßenkindern gewährt und zum Nachdenken anregt. 

*Erschienen bei magellan*

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    Autorin / Autor: checshirekitty - Stand: 20. März 2017