Ein Schrank voller Schubladen
Über individuelle Stereotypen und stereotype Individualität
Fast jeden Tag passiert es: Morgens am Busbahnhof sehen wir einen Mann im Anzug und gehen aufgrund seiner Kleidung automatisch davon aus, dass er sicherlich sehr konservativ ist. Neben ihm steht eine junge Frau in schrillen Klamotten und mit bunt gefärbten Haaren. Sie ist politisch sicherlich nach links orientiert und lebt ein Leben ohne Regeln und Grenzen.
Sicher kennt ihr noch andere Beispiele. Deutlich wird hier aber schon: Wir denken ständig in Stereotypen. In unserem Kopf befindet sich quasi ein riesiger Schrank, der unzählige Schubladen enthält. Und in diese sortieren wir die vielen Menschen, die wir täglich sehen und vielleicht auch kennenlernen, fein säuberlich ein. Jede Schublade wiederum enthält ein vorgefertigtes Muster, dem wir andere Menschen – zum Beispiel wegen ihres Aussehens – zuordnen. Oft müssen wir uns dabei eingestehen, dass wir mit den Personen, um die es geht, nur sehr wenig-, oder sogar gar nicht gesprochen haben. Nicht selten entscheiden wir nur ausgehend davon, was wir sehen, was wir von einer Person halten sollen und ob wir sie auf anhieb mögen, oder nicht. Sicher mag der Eine stärker in Schubladen denken als der andere, aber bestimmt haben wir alle schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man andere beurteilt, ohne sie tatsächlich zu kennen.
Wenn nicht drinsteckt, was draufsteht…
So werden denn einige von euch auch schon einmal in der Situation gewesen sein, dass sie völlig irritiert waren, wenn die Muster, denen wir andere zuordnen, nicht passen. Wenn wir nämlich plötzlich erfahren, dass der Mann im Anzug, den wir in die Schublade „konservativ“ gesteckt haben in seiner Freizeit nicht nur Heavy Metal hört, sondern auch selbst in einer Band spielt, können wir damit am Anfang oft nicht umgehen. Schließlich wird so unsere vorgefertigte Meinung völlig zerstört. Genauso verhält es sich mit der jungen Frau in schrillen Klamotten und mit bunt gefärbten Haaren. Erzählt sie uns auf einmal, dass sie weder einer linken Bewegung, noch der Hausbesetzerszene oder ähnlichem angehört, sondern mit ihrem Ehemann und den gerade geborenen Zwillingen Max und Moritz in einem kleinen Reihenhaus lebt, wissen wir oft nicht, was wir sagen sollen.
Uniform/Schablonenhaft/Immer gleich/Gleichförmig sind nur die Anderen
Völlig anders sieht es allerdings bei unserer Selbstwahrnehmung aus. Wie oft denken wir zum Beispiel: „Ich bin individuell“, oder „Ich bin nicht so, wie die breite Masse.“ Während wir also andere Personen teilweise beliebig in Schubladen stecken und ihnen Verhaltensweisen andichten, die sie vielleicht gar nicht an den Tag legen, nehmen wir uns selbst als Individuum war und möchten, dass dies bitte auch andere tun. Wir möchten mit all unseren individuellen Stärken und Schwächen wahrgenommen werden, ohne in eine bestimmte Kategorie abgeschoben zu werden.
Etwas mehr Offenheit
Natürlich denken wir alle in Stereotypen. Und das vermutlich jeden Tag. Sicher ist es auch in Ordnung, dass wir Menschen bis zu einem bestimmten Punkt in unserer privates Schubladensystem einordnen. Nur sollten wir uns doch vielleicht das ein oder andere Mal die Mühe machen, eine Person besser kennenzulernen und ihr die Chance geben uns zu zeigen, dass sie nicht unseren Vorurteilen entspricht. Es könnte nämlich ein ganz anderer Mensch dahinterstecken, als wir vermuten…
Mit welcher Schublade hast du zu kämpfen? Aktiv und passiv ;-)
Autorin / Autor: Anika Krüger, - Stand: 19. August 2011