Okay. Ich muss nun eines klarstellen. Vor ein paar Tagen begeisterte mich „12 things to do before you crash and burn“ so sehr, dass ich befand, es sei das beste bisher gelesene Buch in diesem Portal. Obwohl dieses Buch nichts von seinem Charme eingebüßt hat, habe ich mich neu verliebt. In ein Buch, das beweist, dass man das Leben lieben sollte. Egal wie weit unten man sich am Ende der Nahrungskette, seines IQ's oder seiner sozialen Kontakte befindet.
Grundbedürfnisse, Intelligenz und Soziales sind Eckpfeiler unseres Lebens, und auf diese konzentriert sich der Roman, um die Gefühle des 15-Jährigen Protagonisten Craig zu erklären, die er selbst und bisher kein anderer erklären kann. Bis das Wort Depressionen fällt. Als es ihm nach kurzzeitiger Medikamenteneinnahme besser geht, setzt er diese sofort heimlich ab, denn er empfindet sich als Schwächling, täte er es nicht. Doch er selbst und sein Umfeld sind nicht soweit, ihm das durchgehen zu lassen. Sein Körper, sein Geist und sein Leben zwingen ihn, zu akzeptieren, dass er ein gewaltiges Problem hat. Er schläft nicht, isst kaum, hat selbsternannte „Tentakel“ in seinem Leben, denen er sich nicht entziehen kann oder glaubt entziehen zu können, die ihn jedoch wahnsinnig machen. Statt das rational zu akzeptieren, hat er nie endende Gedankenkreisel, und er beschließt, sich umzubringen.
Stattdessen landet er, nachdem er sich mehr oder weniger freiwillig selbst dort eingewiesen hat, in der kurzweiligen Psychiatrie. Und lernt dort, was er eigentlich schon lange weiß, aber in einem selbst errichtetem Leben aus Zweifeln, Erfolgsdruck, leichter Paranoia und falschen Kontakten und Entscheidungen verlernt hat. So braucht es für sein erstes Mal ordentliches Essen seit Monaten, seine Rückbesinnung auf „ganz neue“ Talente, sein erstes Mal eine Freundin und seine erstes wirkliches Selbstbewusstsein den fünftägigen Aufenthalt in der geschlossenen Erwachsenenpsychiatrie Six North, eine Straße entfernt von der Wohnung seiner Familie. Die unterstützt ihn bedingungslos.
Und gerade seine verkorksten, mittellosen Mitpatienten zeigen ihm Möglichkeiten, mit seiner Einzigartigkeit umzugehen, statt sie zu verfluchen und zu verdrängen. Und sie haben es sicherlich nicht besser als er. Denn eine Familie, die sie unterstützt, haben die meisten nicht.
Zu viel zu dem Buch zu sagen, wäre falsch, denn es bereichert einen, wenn man es liest.
Craig ist ein Irrer, ein Wunderkind, aber auch ein ganz normaler Junge mit Bedürfnissen und Gefühlen, die jeder kennt. Deswegen hat der Roman mich unterhalten und mir am Ende fast die Tränen in die Augen getrieben, aber eher so Freudentränen, und ich habe kurz mal innegehalten mit irgendwelchen bedeutungslosen Gedanken und ließ die Gänsehaut zu, die sich auf meinen Armen ausbreitete.
Die Liebesgeschichte in „ Eine echt verrückte Story“, die hier nebenbei geschildert wird, ist so absurd, echt, ungeschönt, und herzerwärmend (wie das ganze Buch), dass sie eine ganze Hand an Daumen hoch kriegt. Mit dieser Liebe kann ich mich identifizieren, obwohl sie definitiv nicht jedermanns Vorstellung von einer Beziehung entspricht und genau deswegen ist sie so ideal.
Bleibt hochachtungsvoll zu erwähnen, dass der Autor, Ned Vizzini, selbst als Wunderkind beschrieben wird, der mit 19 seinen ersten Bestseller veröffentlicht. Und 2004 fünf Tage in einer Erwachsenenpsychiatrie verbrachte.
Wer sich vorstellen möchte, wie die Stimmung des Buches ist, der möge sich „Dafür lebe ich“ von F.R. anhören. Und verdammt nochmal dieses Buch lesen. Egal, wie hoch oder tief du dich auf der Achterbahn des Lebens befindest. Mit diesem Roman fährt sie sich leichter. True say.
*Erschienen bei: Heyne Verlag
Originalverlag: Rockbuch*
Autorin / Autor: genna - Stand: 8. Juli 2013