Emotionale Intelligenz macht kompetent
Studie der Uni Bonn: Menschliche „Emotions-Erkennungsfähigkeit“ wirkt sich unmittelbar auf das Erwerbseinkommen aus
In einer Abteilung Chef zu sein oder sogar ein ganzes Unternehmen zu lenken – für die meisten hat das rein gar nichts mit Kuscheln zu tun. In sochen Positionen geht es um objektives Erkennen von Sachlagen, knallhartes Fakten-Wissen, schnelle Entscheidungen und deutliche Autorität. Wer da nach den Gefühlen der MitarbeiterInnen fragt, gilt rasch als Weichei. Doch diese Einstellung ist falsch, wenn es nach einer neuen Studie der Universität Bonn geht. Gefühle von MitarbeiterInnen erkennen zu können, wirkt sich nach den Experten für Arbeits- und Wirtschaftspsychologie tatsächlich auf das Einkommen aus.
*„Geeichte“ Emotions-Zeugnisse*
Dass es zum täglichen Miteinander gehört, die Stimmung des Anderen einzuschätzen, bedeutet nicht, dass es jeder gleich gut kann, sagt Prof. Blickle vom Institut für Psychologie. „Das ist wie beim Fremdsprachenerwerb oder im Sport: Dem einen fällt es leicht, dem anderen schwerer. Jeder kann mal einen Liegestütz machen. Aber nicht jeder ist ein Olympiasieger.“ Um vergleichen und messen zu können, wie gut jemand die Emotionen seiner Mitmenschen erkennt, sammelten die Forscher Bilder und Tondokumente von Kindern und Schauspielern – Menschen also, die ihre Gefühle deutlich auszudrücken gelernt oder noch keine Lust haben, sie auf „erwachsene“ Weise zu verbergen.
Diese Gefühlsdarstellungen wurden dann berufstätigen Untersuchungsteilnehmern im Alter zwischen 20 und 65 Jahren (142 Untersuchungsteilnehmer in der ersten, 156 in der nachfolgenden „Validierungs“-Studie) vorgelegt, die dann erkennen sollten, ob der gezeigte Mensch etwa wütend oder traurig ist, sich freut oder Angst hat. Sie sollten jeweils 24 Gesichtsbilder und 24 Stimmaufnahmen der passenden Emotion zuordnen. „Durchschnittlich ist das in 77 Prozent der Fälle gelungen“, berichtet Prof. Blickle. „Wenn einer es in 87 Prozent der Fälle schafft, dann ist er gut; bei 90 richtig gut; bei 60 nicht mehr so sehr.“
Anschließend befragten die Forscher die Kollegen und Vorgesetzten der Probanden: Die Kollegen sollten deren soziale Kompetenz bei der Zusammenarbeit am Arbeitsplatz beurteilen, die Vorgesetzten deren „soziale Leistung“ für die Firma (also zum Beispiel, ob das Team der Person effektiv, weil harmonisch arbeitet). Dabei stellte sich heraus, dass Menschen mit guter Emotions-Erkennungsfähigkeit „von den Kollegen nachweislich als sozial kompetenter beurteilt werden. Ihre Vorgesetzten schreiben ihnen eine höhere Leistung in der Zusammenarbeit mit anderen zu. Und nachweislich ist auch ihr Erwerbseinkommen höher.“
Für Prof. Blickle liegt die besondere Stärke der Studie darin, „dass wir Alternativerklärungen ausschließen konnten“. Denn es sind ja viele Faktoren, die auf das Einkommen eines Arbeitnehmers einwirken: Geschlecht, Alter, Ausbildung, wöchentliche Arbeitszeit und die hierarchische Position im Unternehmen. Doch all diese Varianten hätten sie Studienautoren kontrolliert, berichtet der Experte, und dennoch sei der Effekt der Emotions-Erkennungsfähigkeit auf das Einkommen bestehen geblieben.
*Lässt sich das Gefühlserkennungsvermögen nachhaltig steigern?*
Die Forscher folgern daraus unter anderem, dass bei der Auswahl von Führungskräften mehr Wert auf die Fähigkeit zur Emotions-Erkennung gelegt werden sollte – vor allem, wenn es im Beruf auf den Umgang mit Menschen ankommt. „Wie oft hört man Führungskräfte von Verständnis und Wertschätzung sprechen“, kritisiert Prof. Blickle – „und wenn man ihr Führungsverhalten sieht, stellt man fest, dass sie beides nicht haben.“
Zwar gibt es diverse Verfahren, mit denen sich die „Emotionale Intelligenz“ erhöhen lässt. Wie Prof. Blickle erläutert, konzentrieren die sich jedoch allesamt darauf, die Emotionen des Gegenübers für sich selbst einzuordnen und anschließend passend zu handeln. Dass man die Gefühle anderer Menschen erst erkennen muss, wird bei diesen Trainings stillschweigend vorausgesetzt. „Ich kenne keine Studie, die zeigen würde, dass sich auch dieser erste Schritt nachhaltig verbessern lässt“, sagt der Bonner Experte. Ob das möglich ist, könnte jetzt Thema einer weiteren Untersuchung werden.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: November 2014