Entgendern nach Phettberg

Germanisty Kronschläger zeigt: Entgendern kann so einfach sein

Liebe Lizzys,

fühlt ihr euch von unserer Anrede angesprochen? Auch wenn ihr keine Frauen seid? Nicht? Dürft ihr aber. Lizzys meint nämlich alle. Ganz besonders, wenn wir uns auf die Methode „Entgendern nach Phettberg“ beziehen, die der Germanist Tobias Kronschläger von der Technischen Universität Braunschweig in Anlehnung an den Aktionskünstler Hermes Phettberg entwickelt hat.
Letzterer schrieb die Fans seiner Kolumne, die seit 1992 in der Wochenzeitung Falter erschien, gerne mal mit „Lesys“ an. Gemeint waren damit Leserinnen und Leser und alle, die weder nur das eine noch das andere sind oder sein wollen. Und damit ist das einfache, aber wirkungsvolle Prinzip des „Genderns nach Phettberg“ auch schon erklärt: Stammsilbe plus y. So sind sämtliche Unterstriche, Binnen-Is, Gendersternchen oder sonstige sonderbaren Zeichen voll von gestern.

Tobias Kronschläger hat sich das so gedacht:
Alle Personenbezeichnungen wie etwa Berufsbezeichnungen haben im Singular das als Artikel und hinter der Stammsilbe ein y. Sie meinen dann automatisch alle: Das Schüly, das Lehry, das Ingenieury.
Ein s dran für den Plural. Fertig: Liebe Schülys, die Bürgermeistys (oder wer es ganz genau nimmt: Bürgymeistys). Dabei kann auch entgendert werden, wenn das tatsächliche Geschlecht einer Einzelperson bekannt ist: das Germanisty Tobias Kronschläger – muss aber nicht.

In der geschriebenen Sprache hat das ebenso Vorteile wie in der gesprochenen. Es fallen umständliche der/die Einsteiger*in-Schreibweisen weg, in der gesprochenen Sprache die irritierenden Kunstpausen. Stattdessen klingt alles ein bisschen nach Teletubbieland in der Schweiz, und es ist denkbar, dass so manches Polizisty, Hirnchirurgy, Gewichtsheby oder Kanzlykandidaty sich dadurch veralbert fühlt. Auch Terroristys, Gewalttätys oder Mördys könnten harmloser klingen als sie sind. Aber das ist vor allem eine Frage der Gewohnheit.

Und findet ihr nicht auch, dass eine gewisse Niedlichkeit, Aussprachefreundlichkeit und Lockerheit uns grundsätzlich gut zu Gesichte stehen würde? Und dass diese Art zu gendern so wunderbar einfach und einheitlich wäre und trotzdem – auch das ist vorgesehen – auch erlauben würde, die männliche oder die weibliche Form zu nutzen, wenn es denn wirklich nur männliche oder weibliche Personen sind und es eine Rolle spielt und gewünscht wird. 

Überhaupt plädiert Kronschläger für eine gewisse Gelassenheit und überlässt die Entscheidung über das Ausmaß der Entgenderung dem(n.) geneigten Lesy. Er schlägt jedoch vor, ein n. für neutrum hinter Pronomina zu stellen, damit eindeutig ist, dass hier entgendert wurde. In dem Satz „Das Autory beschreibt in seinem Buch…“ könnten Lesys aufgrund von „seinem“ von einem männlichen Autor ausgehen. Daher würde Kronschläger (Kronschlägy?) ein n. hinter seinem(n.) setzen. Wer mag!
Wörter auf -ing müssen Kronschläger zufolge nicht unbedingt entgendert werden. Entscheidet je nach Situation selbst, ob ihr Widerly sagt oder Widerling, Lehrling oder Lehrly.

Wer entgendern grundsätzlich total überflüssig findet, wird sich hiervon sich ebenso wenig überzeugen lassen wie von gut begründeten Argumenten. Die Methode lässt aber zumindest jene Kritikys verstummen, die nicht entgendern wollen, weil es ja angeblich so mühsam, kompliziert und schlecht lesbar sei.

Entgendern nach Phettberg ist einfach, leicht verständlich, intuitiv und macht Spaß. Und weil es Sprache sogar eher noch verkürzt und entkompliziert, ist die Methode auch aus sprachökonomischer Sicht absolut sinnvoll. Probiert es mal aus!

Eure Redakteurys

PS: Auch wenn es noch so viel Spaß macht, es muss nicht an jedes Wort ein y gehängt werden, sondern nur an die Personenbezeichnungen. Es könnte sonst wirklich etwas albern wirken ;-).

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 12. April 2021