Fremdsprachen helfen bei Entscheidungen
Denkt man nicht in der Muttersprache, handelt man analytischer
Will eine Entscheidung getroffen werden, spielen viele Faktoren mit hinein. Neben dem rationalen, eher vernünftigen Abwägen der Vor- und Nachteile sind vor allem Emotionen und das hochgelobte Bauchgefühl von Bedeutung. Aber kann man so immer die besten Entscheidungen treffen? Forscher der Universität Chicago zeigen nun in einer Studie, dass man analytischere Entscheidungen treffen kann, wenn man nicht in der Muttersprache denkt. Vorherige Forschungen zeigten schon, dass Menschen möglichen negativen Auswirkungen so sehr abgeneigt sind, dass sie womöglich eine gute Gelegenheit verstreichen lassen. Denkt man in einer Fremdsprache über ein Problem nach, fällt es dagegen leichter, Risiken einzugehen.
Die Studie, bestehend aus sechs Experimenten, wurde über drei Kontinente mit über 600 Teilnehmern angelegt. Es waren fünf verschiedene Sprachen vertreten: englisch, koreanisch, französisch, spanisch und japanisch. In allen Experimenten ging es darum, Entscheidungen zu treffen – und dabei jeweils den möglichen Gewinn und das potentielle Risiko abzuschätzen und gegeneinander abzuwägen.
Im ersten Experiment sollten Probanden mit der Muttersprache Englisch, die nebenbei die spanische Sprache erlernten, Wetten abschließen. Sie erhielten 15 in Ein-Dollar-Scheinen, wovon jeweils ein Dollar in 15 Wettvorgängen gesetzt werden konnte. Der mögliche Gewinn betrug $ 1,50. Die Voraussetzungen waren gut: Wenn die Probanden alle 15 Wetten eingingen, war es wahrscheinlicher, am Ende mit einem gefüllteren Geldbeutel nachhause zu gehen als Verluste zu erleiden. Als die Probanden in ihrer Muttersprache wetten sollten, hatten sie aber eher den möglichen Verlust vor Augen, und setzten nur bei 54% der Wetten. Als sie das Ganze dagegen in spanischer Sprache wiederholen sollten, setzten sie bei 71% der Wetten. Ihre Risikofreudigkeit zahlte sich also wortwörtlich aus.
Hayakawa, Co-Autor der Studie, erklärt dieses Phänomen: „Wahrscheinlich ist der wichtigste Mechanismus für dieses Ergebnis der, dass eine Fremdsprache einen geringeren emotionalen Nachklang erzeugt als die Muttersprache. Eine emotionale Reaktion könnte zu einer Entscheidung führen, die mehr von Ängsten als von Hoffnungen motiviert wird – sogar, wenn die Chancen eigentlich ganz gut stehen.“
Es wurden aber nicht nur Entscheidungen getestet, die einen möglichen Gewinn mit sich brachten, sondern auch solche, bei denen ein Verlust vermieden werden sollte. Fakt ist, dass sich Menschen eher mit dem zufrieden geben, was sie haben, obwohl sie mehr bekommen könnten. Sie scheuen also das Risiko. Dagegen gehen sie vermehrt Risiken ein, wenn sie sonst Verluste zu befürchten hätten. Schlimmer kann's dann ja sowieso nicht mehr werden!
Dieses Ungleichgewicht zwischen eigentlich sehr ähnlichen Entscheidungssituationen verschwand, als die Probanden in einer Fremdsprache entscheiden sollten. Die Testpersonen in Korea, Frankreich und den vereinigten Staaten waren in der Lage, ihre Wahl unter Berücksichtigung des erwarteten Ergebnisses zu treffen – ließen sich also nicht von diesem Ungleichgewicht aus der Ruhe bringen.
Ist es also besser, alle Entscheidungen in einer Fremdsprache zu treffen? Studienleiter Keysar beschwichtigt: "Es kommt immer auf die Rolle der Emotionen in den bestimmten Situationen an." Manchmal hat der Bauch also doch Recht!
Autorin / Autor: Annika Willinger - Stand: 2. Mai 2012