Friss oder stirb
Autorin: Barbara Rieger
In ihrem Roman "Friss oder Stirb" erzählt Barbara Rieger die jahrelange Leidensgeschichte der jungen Anna. Bereits in frühen Jahren entwickelt diese ein ungesundes Verhältnis zu Essen. Bedingt durch die typischen Erlebnisse eines Teenagers, Stress mit der Familie, Freunden und Liebeskummer, fühlt sie sich oft nicht wohl in ihrem Körper. Zunächst einmal versucht sie möglichst wenig zu essen, um schlanker zu werden. Doch irgendwann setzen die Heißhungerattacken ein und Anna beginnt ihre innere Leere und jede Gefühlsregung mit übermäßigem Lebensmittelkonsum zu kompensieren.
Doch die ganzen Kalorien müssen aus Annas Sicht auch auf schnellstem Wege wieder hinaus. Anna verfällt in eine schwere Ess-Brechsucht. Während nach Außen hin alles in Ordnung scheint, tobt in Anna ein innerer Kampf gegen sich selbst und den eigenen Körper. Wie lange kann sie den Schein eines normalen Lebens aufrechterhalten, ohne unter ihrer Selbstzerstörung zusammen zu brechen? Und wie lange noch hält Annas Körper die Extreme zwischen Hunger und völliger Übersättigung aus?
Einfühlsam aber auf den Punkt, beschreibt Barbara Rieger die Krankheit von Beginn an, über Annas tiefsten Abgründe, bis hin zur möglichen Aussicht auf ein Durchbrechen des Teufelskreises. Oftmals wird deutlich, wie wenig Verständnis das Umfeld für Betroffene aufbringt, bzw. wie wenig andere in der Lage sind, nachzuvollziehen, dass eine Essstörung nicht nach 6 Therapiestunden erfolgreich bewältigt ist.
Riegers Schreibstil ist auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Lange, ineinander verschachtelte Sätze geben Annas Gefühle und Gedankengänge wieder. Ihre selbstzerstörerischen Gedanken spiegeln sich dabei gut in den zunächst fremd wirkenden Satzkonstruktionen. Ähnlich wie es bei Annas Brechsucht der Fall ist, scheint die Autorin die Gedankengänge der Protagonistin einfach ungefiltert und in einem Rutsch auszuspeien. Die Schonungslosigkeit, die somit erzeugt wird, fördert einen wesentlich tieferen Einblick in die Gefühlswelt der jungen Frau, als eine bloße Umschreibung von außen es tun würde.
Hier wird nichts beschönigt, keine noch so hässliche Begleiterscheinung der psychischen Erkrankung ausgelassen! Doch gerade das macht den Roman lesenswert. Er bietet einen umfassenden Blick auf die zerstörerische Kraft einer Essstörung, die uns als Außenstehende und nicht Betroffene meist unzugänglich ist.
Friss oder Stirb ist somit vielleicht nicht unbedingt ein klassischer Roman zum gemütlichen Schmökern, dafür aber in seiner aufklärerischen Hinsicht umso wichtiger.
*Erschienen bei Kremayr & Scheriau *
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Autorin / Autor: Ann-Kathrin Feldmann - Stand: 31. August 2020