"Für das Studium musst du ein Genie sein"

Studie: Wie Klischees über "angeborene Brillianz" die Studienwahl einengen

Woran liegt es, dass Frauen trotz besserer Schulabschlüsse in bestimmten Studienfächern wie Physik, Computerwissenschaften oder auch Philosophie immer noch die absolute Minderheit darstellen? Ein neuer Erklärungsansatz von Sarah-Jane Leslie, Philosophie-Professorin an der Princeton University, geht über das übliche Argument "Desinteresse" von Mädchen hinaus und beleuchtet ein anderes Stereotyp. Sie fand heraus, dass solche Fächer mit dem Klischee behaftet sind, man müsse dafür eine natürliche geistige "Brillanz" mitbringen, also ein Genie sein, und das - so denken viele - brächten schließlich nur die Männer mit.

Für ihre Studie fragte sie 1820 PostdoktorandInnen und DoktorandInnen aus 30 Disziplinen an hochkarätigen öffentlichen und privaten Forschungs-Universitäten in ganz USA, inwieweit sie der Überzeugung sind, dass man in ihren Forschungsdisziplinen nur Erfolg haben könne, wenn man über diese natürliche Brillanz verfüge. Dabei kam heraus, dass oben genannte Forschungsdisziplinen tatsächlich eher mit dem Begriff "Genie" assoziert werden als zum Beispiel mit Fleiß. Und genau diese Überzeugung stelle Frauen ins Abseits, da stereotype Geschlechtervorstellungen davon ausgehen, dass Frauen die "angeborene geistige Begabung" fehle, stellt Sarah-Jane Leslie fest. "Genie" sei fast wie ein geheimes Codewort, das automatisch harte Arbeit, Leidenschaft, Hingabe und Sorgfalt mitbrächte.

Sarah-Jane Leslie sieht ihre These bestätigt: Je mehr eine Forschungs-Disziplin mit Genie in Verbindung gebracht wird, desto geringer ist der Frauenanteil an den Promotionen. So sei es zum Beispiel in der Molekularbiologie sehr wichtig, hart für den Erfolg zu arbeiten; dort erreichten Frauen im Jahr 2011 etwa 50 Prozent aller Doktortitel. In der Physik hingegen werde die geistige "Brillanz" als viel wichtiger angesehen; dort lag der Frauenanteil bei weniger als 20 Prozent. Die Beziehung zwischen diesen den Fächern unterstellten Anforderungen und dem Frauenanteil zog sich durch alle 30 Disziplinen.

*Genie versus Fleiß*
Viele Studien untersuchen, warum Mädchen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaft, Technik) unterrepräsentiert sind und wie man es ändern könnte. Die Stärke der Untersuchung von Sarah-Jane Leslie ist, dass sie noch mehr differenziert: So ergab eine US-Erhebung von 2011, dass Frauen durchaus die Hälfte aller Doktortitel in Molekularbiologie und Neurowissenschaften besetzen, aber nur 20 Prozent der Promotionen in der Physik und Informatik. Bei den Sozial- und Geisteswissenschaften zeigt sich übrigens eine ähnliche Verteilung: Mehr als 70 Prozent aller Doktortitel in Kunstgeschichte und Psychologie gehen an Frauen, in Wirtschaftswissenschaften und Philosophie sind es dagegen weniger als 35 Prozent.

"Philosophen betonen viel eher als Psychologen, dass für ihre Disziplin ein gewisses Maß an Genie unabdingbar sei", erklärt Leslie. In der Philosophie hätte man in den 1980er Jahren von einem "Strahl" gesprochen, mit dem einige Auserwählte geboren worden seien. Dank dieses angeborenen Lichtstrahls könnten solch glücklichen Genies jedes beliebige Thema beleuchten, ohne dafür hart zu arbeiten. "Das war der Goldstandard für einen erfolgreichen Philosophen" so Leslie.

Laut der Studienautorin gibt die Studie wichtige Impulse für den Dialog über Vielfalt, die an Hochschulen und Universitäten stattfindet. "Die Studienergebnisse legen nahe, dass WissenschaftlerInnen, die sich mit der Kluft zwischen den Geschlechtern in ihren Bereichen befassen wollen, besonders darauf achten sollten, was sie StudentInnen über Erfolg erzählen, dass er nicht mit angeborener Hochbegabung, sondern mit anhaltender Bemühung erreicht wird", so Leslie.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 16. Jnauar 2015