Gilded von Marissa Meyer ist eine fesselnde und düstere Märchenadaption von Rumpelstilzchen – oder besser gesagt, eine ganz eigene, tiefgründige Erzählung, die ihre Wurzeln im deutschen Folkloreklassiker hat.

Die Protagonistin Serilda ist eine Außenseiterin, die in ihrem Dorf aufgrund ihrer Gabe – oder eher ihrem Fluch – zur Geschichtenerzählerin eher misstrauisch beäugt wird. Ihre Fähigkeit, Geschichten zu erfinden, ist eine Last, die sie dazu bewegt, ständig zu lügen.

Als Serilda eines Nachts in die Fänge des finstere Geisterkönigs gerät, wird sie gezwungen, eine unmögliche Aufgabe zu erfüllen: Sie soll Stroh zu Gold spinnen, oder sie verliert ihr Leben.

Durch ihren leichten, aber dennoch fesselnden Schreibstil gelingt es Marissa Meyer, eine Welt zu erschaffen, die sowohl neu als auch vertraut wirkt.

Die Erzählweise ist flüssig und packend, dabei wird Serildas Schicksal oft schonungslos entfaltet – und doch schafft es die Autorin, immer wieder kleine Momente von Humor und Hoffnung einzuflechten.

Serilda ist eine unglaublich starke, aber auch verletzliche Heldin, deren Handlungen und Gefühle stets nachvollziehbar sind. Im Laufe der Geschichte wächst sie über sich hinaus, gewinnt an Stärke und trifft Entscheidungen, die ihr eine gewisse Tiefe verleihen. Wohingegen Gild, der geheimnisvolle Poltergeist des Schlosses, lange ein Mysterium bleibt.

Auch wenn sich der Plot mit der Zeit etwas vorhersehbar macht, nimmt das der Geschichte keineswegs ihren Charme. Ganz im Gegenteil: Die Stärke der Erzählung liegt weniger in unerwarteten Wendungen, sondern in der emotionalen Tiefe und den komplexen Charakteren, die die Welt von Gilded so lebendig machen.

Die Spannung in Gilded wächst langsam, aber stetig. Besonders die Szenen im Schloss des Erlkönigs sind von einer beklemmenden Atmosphäre durchzogen, die einen bis zum Ende der Geschichte nicht entgeht.

Highlight

Was mir besonders gut gefallen hat, ist die Art, wie die Autorin mit der Sprache spielt. Sie schafft es, Märchenhaftes zu bewahren, aber gleichzeitig eine frische, moderne Perspektive einzubringen, die die Dialoge lebendig und die Charaktere glaubwürdig macht.

Gerade die Kombination aus Tradition und Innovation verleiht der Geschichte ihre ganz eigene Identität.

Fazit

Gilded ist ein düsteres, spannendes Märchen mit vielen unerwarteten Wendungen und tiefgründigen Charakteren. Die Autorin schafft es, eine magische Welt zu entwerfen, die nicht nur von fantastischen Wesen, sondern vor allem von den Menschen darin lebt.

Wer komplexe, tiefgründige Märchenadaptionen mag, wird hier auf seine Kosten kommen.
Ich kann es jedem empfehlen, der sich mal an ein grauenerrengedes Märchen antasten möchte.

Erschienen bei ars Edition