Gleichheit bervorzugt

Uni Bielefeld: Deutsche überschätzen ihre Integrationsbereitschaft und Toleranz

Bild: Luise Weber

Fast jede/r fünfte EinwohnerIn Deutschlands hat einen sogenannten Migrationshintergrund, kommt also aus einem anderen Land oder hat Eltern, die aus einem anderen Land kommen. In der Regel klappt das Zusammenleben wunderbar, und wenn man die deutsche Bevölkerung fragt, ob sie prinzipiell denken, dass Deutsche ohne Migrationshintergrund und Zugewanderte gleich(-wertig) seien, sagt sie mehrheitlich: Ja. Wie aber sieht es mit dem theoretischen Anspruch aus, wenn es um die Umsetzung im Alltag geht? Das wollten Bielefelder ForscherInnen wissen und stellten fest, viele sind bei genauerem Hinsehen doch eher reserviert und hängen an alten Vorrechten und überschätzen ihre Integrationsbereitschaft und Toleranz. Zusammengefasst wurden die Ergebnisse in der Studie „ZuGleich – Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit“ des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, die von der Stiftung Mercator gefördert wurde.

*Deutsche finden, dass Zuwanderer sich anpassen sollten*
Viele Befragte schätzen zwar die zunehmende Vielfalt und äußern sich wohlwollend darüber, dass sich immer mehr „Migranten in Deutschland zu Hause fühlen“. Geht es allerdings um die Frage, was Integration bedeutet und wer sich auf wen zubewegen soll, bestehen jedoch viele darauf, dass es die Einwanderer seien, die sich an die Einheimischen anpassen sollten und nicht umgekehrt, berichtet Madlen Preuß, Koordinatorin der Studie. „Über ein Drittel verweigern hier Engagement und Unterstützung, um Migranten das 'Ankommen' zu erleichtern."

Dabei sind die befragten Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund sich weitgehend einig darin, ab wann jemand zur deutschen Gesellschaft gehört. Beide Gruppen nennen an erster Stelle die Beherrschung der deutschen Sprache und die Achtung deutscher Politinstitutionen und Gesetze. Vergleicht man die Aussagen der deutschen Mehrheitsgesellschaft mit denen der Eingewanderten, fällt jedoch auf, dass erstere sehr viel häufiger die deutsche Staatsangehörigkeit oder Deutschland als Geburtsland fordert, während MigrantInnen es für wichtiger halten, wenn jemand erwerbstätig ist oder sich ehrenamtlich engagiert.

*Mehr als 20 Prozent haben antisemitische und rassistische Vorurteile*
Bei aller Toleranz gegenüber einer vielfältigen Gesellschaft, halten sich allerdings Vorurteile gegenüber Sinti und Roma, AsylbewerberInnen und Muslimen besonders hartnäckig. Mehr als jede/r Fünfte äußert diesen Menschen gegenüber starke Vorurteile und Ablehnung. Auch antisemitische und rassistische Meinungen sind weit verbreitet in der deutschen Bevölkerung; mindestens jede/r Zehnte findet, dass es eine "natürliche Hierarchie" zwischen Völkern gibt und unterstellt Juden, sie würden von der Holocaust-Vergangenheit profitieren wollen.

*Vorurteile gegenüber allen Minderheitsgruppen*
Ein weiteres Ergebnis der Studie lässt aber ebenfalls aufhorchen: Personen, die Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund haben, lehnen gleichzeitig auch häufig andere Minderheiten in Deutschland ab, wie beispielsweise wohnungs- oder arbeitslose Gruppen. Der Anteil der Befragten, der der Aussage zustimmt, dass Migranten in die Heimat zurückkehren sollten, wenn die Arbeitsplätze knapp werden (Zustimmung 8,1 Prozent), ist nahezu identisch mit dem Anteil der Befragten, die auch Homosexualität unmoralisch finden (8,6 Prozent) oder die meinen, Frauen sollten sich auf ihre traditionelle Rolle besinnen (8,8 Prozent). Diese als "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" bezeichneten Vorurteile bremsen Versuche der Öffnung und des positiven Miteinanders aus, schreiben die StudienautorInnen.

*Zur Studie*
Die Studie „ZuGleich“ ist eine wissenschaftliche Umfragestudie und basiert auf einer anonymen und repräsentativen Querschnitts-Befragung von insgesamt 2.006 volljährigen Personen zwischen November 2013 und Januar 2014 in Deutschland. Das Projekt wurde von Prof. Dr. Andreas Zick (Leiter des IKG) sowie MA Soz. Madlen Preuß (IKG) durchgeführt.

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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilung