Der Fantasy-Roman „Göttlich verloren“ von Josephine Angelini ist im Mai 2012 im Dressler Verlag erschienen und der zweite Teil der „Göttlich“- Trilogie.
In Teil 1 brach die Welt der Protagonistin Helen auseinander, als sie erfuhr, dass sie eine Halbgöttin ist – genauso wie die reiche, neu auf die Insel gezogene Familie Delos. Unversehens findet Helen sich in einem Chaos aus Blutrache, dem Wachsen ihrer Kräfte und dem Entdecken und Verlieren der ersten großen Liebe wieder.
Im zweiten Teil der Trilogie muss Helen, die gerade erst beginnt ihre Kräfte und ihr Schicksal zu verstehen, sich der schweren Aufgabe stellen, in die Unterwelt zu reisen. Dort muss sie die Furien finden, um so die Blutfehden zu beenden, die zwischen denen und auch innerhalb der vier Häuser der Halbgötter herrscht. Besonders die Familie Delos leidet unter diesem Fluch, weswegen es Helen besonders wichtig ist. Doch die Aufgabe muss sie ganz alleine lösen, denn nur sie kann die Unterwelt betreten. Immer mehr fühlt sie sich überfordert und verloren, weil nicht einmal ihre große Liebe Lukas Delos ihr mehr helfen kann. Weil sie miteinander verwandt sind, können sie sich nicht einmal mehr sehen. So reist sie jeden Abend alleine in eine andere Hölle anstatt zu träumen und muss tagsüber ihrem ganz normalen Leben nachgehen, was sie schwächer und schwächer werden lässt. Erst als sie unerwartete Hilfe von dem gutaussehenden Fremden Orion, ebenfalls ein Halbgott, bekommt, scheint es langsam wieder bergauf zu gehen. Dass das Ziel aber zugleich auch der Untergang sein kann, übersieht nicht nur Helen.
Bestehend aus 576 Seiten knüpft der Roman nahtlos an den Vorgänger an. Ohne Einleitung wird man mitten in die Geschichte zurück geworfen und muss sich erst einmal erneut einlesen, um zu verstehen was geschehen ist. Das kann ein Vor- aber auch ein Nachteil sein, je nachdem wie präsent einem der erste Teil geblieben ist. Der Schreibstil ist schlicht und schnörkellos gehalten, was einerseits das Eintauchen etwas erschwert, das Lesen allerdings vereinfacht und der Roman sich somit auch für jüngere Leser öffnet.
Die Charaktere dagegen sind liebevoll ausgearbeitet und haben sehr viele Facetten, die einen öfters zum Schmunzeln bringen. Wobei es sich dabei weniger um die Protagonisten, als um die zahlreichen kleinen Nebencharaktere handelt, wie etwa die unterschiedlichen Götter oder die Mitglieder der Familie Delos. Die kleine Cassandra Delos, die zum Orakel geboren wurde und die man einfach nur bedauert, weil sie sich von ihrer Familie immer mehr entfremdet und niemand ihr helfen kann; oder auch Helens Mutter Daphne, von der man sich nicht sicher ist, ob ihr Ziel nun wirklich edel ist oder eben nicht. Die beiden sind nur zwei Charaktere die mir sehr positiv aufgefallen sind und die das Buch von den Standardcharakteren weg bringt, die man durchaus auch in dem Buch finden kann.
Besonders gefallen hat mir die griechische Mythologie, die in diesem Teil noch stärker präsentiert wird als im vergangenen. Man lernt neue Götter, Halbgötter und ihre Ziele kennen; wird in eine Welt jenseits von Vampiren und Werwölfen entführt, was an sich eine sehr nette Abwechslung darstellt. Zwar folgt das Grundgerüst auch in diesem Teil einem leider allzu bekannten Schema (Mädchen trifft paranormalen Jungen, sie verlieben sich, dürfen nicht zusammen sein, dritter allzu attraktiver Protagonist tritt auf, Dreiecks Beziehung entsteht), was dem Roman aber nicht zwingend das Potential nimmt etwas Besonderes zu sein, auch wenn ich es äußert schade fand, dass sich das Buch nicht von dieser Dreieckskiste lösen konnte.
Was auf jeden Fall positiv anzumerken ist, sind zwei entscheidende Faktoren, die dem Buch das Besondere zurück geben: Zum einen haben Helen und die Delos ein konkretes Ziel, welches durch den mythologischen Aspekt zu etwas Besonderen wird. Die Suche und das Erretten der Furien ist etwas, das über dieses standartisierte „Mädchen muss Welt retten“ hinausgeht, weil es um etwas viel persönlicheres und komplexeres geht. Nämliche die Harmonie innerhalb der Familie und die Lösung eines jahrhundertealten Fluches. Ebenso die Art und Weise, wie Helen und Orion schließlich an die Lösung des Problems herangehen gefällt mir ausnehmend gut. Zum anderen sind da aber auch noch die Wissenslücken, die einen das gesamte Buch über quälen, und die einen zwingen weiter zu lesen.
Das Buch hat wechselnde Perspektiven, was einem das Nachvollziehen der Handlung und Charaktere erleichtert. Da aber diese Charaktere teilweise undurchsichtige Götter und Halbgötter sind, weiß man mehr als die Protagonisten, aber nicht genug um den gesamten Hintergrund zu durchschauen. So bleibt mir sowohl Helens Herkunft, als auch ihre Mutter ein absolutes Rätsel, das ich bis zum Ende nicht zu lösen vermochte. Ebenso die große Gefahr auf die Helen zusteuert hat mich im Endeffekt doch sehr überrascht. Gerade diese Spannung und diese Lücken sind es, die das Buch dann schließlich doch noch massiv von den etwas zu schemenhaften Klischees weg bringen und zu einem Leseerlebnis werden lassen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich mich nicht göttlich in Josephine Angelinis Buch verloren habe, weil es gelegentlich zu sehr in bereits bewährte aber ausgetretene Standardisierungen abrutscht. Da dieses Buch aber auch absolut lesenswerte und faszinierende Aspekte hat, die es einem irgendwie unmöglich machen, es aus der Hand zu legen, ist es in jedem Fall eine Chance wert.
*Erschienen bei: Cecilie Dressler*
Autorin / Autor: ladyjanna - Stand: 22. Mai 2012